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Waren Sie auch bei der Krönung?

Waren Sie auch bei der Krönung?

Titel: Waren Sie auch bei der Krönung? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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an diesem Tage zu sehen gehofft hatte. Die Uniform, die Johnny nicht kennen konnte, wies ihn als Polizeipräsidenten aus.
    Ohne sich recht bewußt zu sein, was er tat, trat Will Clagg vor und legte seine Hand auf den Zaum des Pferdes. Er hörte sich selbst rufen: «Wie steht es also? Laßt ihr uns durch oder nicht?» Er hatte alle Selbstbeherrschung verloren, die uralte Feindschaft, die zwischen dem aufwärtsblickenden Fußgänger und dem niederblickenden Reiter besteht, war in ihm erwacht. Für den Sohn mochte der Mann auf dem Pferde allen Glanz und alle Pracht, alle Macht und Befehlsgewalt symbolisieren. Für den Vater verkörperte sie nur die Arroganz des Privilegs, das Vorrecht des Feudalherrn gegenüber dem Bauern. Sein Zornesausbruch hatte rein atavistische Ursachen.
    Der Wachposten an der kleinen Pforte stürzte mit dem entsetzten Ruf: «Was fällt Ihnen ein?» auf Will zu. Aber der Polizeipräsident hinderte ihn mit einer Handbewegung daran, den Mann zu fassen, der den Zaum seines Pferdes hielt. Von seinem Sitz hoch oben auf dem Schimmel blickte er auf die Gruppe ängstlicher, zorniger, verweinter Gesichter nieder und erriet sofort, daß hier das vorlag, was man gemeinhin «eine kritische Situation» nannte.
    «Was ist los, Wachtmeister?» fragte er. Die ruhige Höflichkeit seiner Stimme brachte Clagg zur Vernunft; er ließ den Zaum los und trat zurück.
    «Sie haben mich den ganzen Tag gequält, ich solle sie durchlassen, Sir», sagte der Polizist. «Ich habe nur versucht, meine Pflicht zu tun, Sir.»
    Er war jung, er war nervös, er war vom Lande, er hatte noch nie in seinem Leben einen so hohen Polizeioffizier gesehen. Er stellte sich bereits vor, daß seine Karriere jäh ruiniert und zu Ende war. Für einen Mann in der Polizei, der nicht richtig handelte, konnte ein solcher Zwischenfall katastrophale Folgen haben.
    «Den ganzen Tag gequält!» protestierte Will Clagg. «Und alle die andern, die hier seit dem Morgen im Regen stehen? Und die Kinder hier, die hergekommen sind, um die Königin und die Soldaten zu sehen? Und wie steht's mit den elenden Kartenfälschern, denen ihr Polizisten nicht das Handwerk gelegt habt? Fünfzig Pfund von meinem schwer verdienten Geld habe ich für ein Loch in der Erde bezahlt — und dieses Bürschchen da redet von Pflichterfüllung!»
    Der Polizeipräsident war ein Mann mit scharfen Sinnen, der aus wenigen Fakten und Andeutungen instinktiv ein Geschehnis rekonstruieren konnte. Er war genügend über die für diesen Tag ausgegebenen gefälschten Karten informiert, um erraten zu können, daß dieser Mann vermutlich einem solchen Betrug zum Opfer gefallen war. Er sah auch, wie sich in dem Gesicht des jungen Polizisten Angst und Schrecken spiegelten. Im stillen fällte er bereits ein Urteil über ihn: Armer Kerl. Wird es bei uns nicht weit bringen. Nicht elastisch genug. Und wie er so auf Clagg und seine nur allzu typischen Familienangehörigen niederblickte — auf die Frau mit den besorgten Augen, die unvermeidliche Großmutter und die Kinder —, da wünschte er, daß der Polizist den Mut, die Menschlichkeit und eine genügend rebellische Natur gehabt hätte, um seine Pflicht nicht allzu genau zu nehmen und diese Leute passieren zu lassen. Was er jedoch sagte, war: «Sie haben recht gehabt, Wachtmeister. Weisungen sind dazu da, befolgt zu werden.» Aber zu sich sagte er: Man muß sich für diese dickschädeligen, gewissenhaften Polizisten einsetzen, wenn sie ihre Pflicht dem Buchstaben getreu erfüllen, sonst bricht die ganze Welt zusammen. Laut sagte er zu dem stämmigen Mann, der nahe den rosa Nüstern seines Pferdes stand und der — so sehr schien er selbst aus Stahl gebaut — wie ein Eisengießer oder Walzarbeiter aussah: «Es tut mir leid, der Beamte hat sich nur an seine Weisungen gehalten. Wenn er sie ignoriert hätte, dann hätte er eine Zurechtweisung riskiert.»
    Der Polizist war keineswegs so dumm, daß er nicht das Wort «riskiert» wahrgenommen hätte, und er blickte dem Polizeipräsidenten schnell ins Gesicht, um herauszufinden, ob es als eine Verurteilung oder Zurechtweisung gemeint war. Aber er konnte aus dem ernsten Ausdruck des Offiziers nichts herauslesen und tröstete sich mit der Tatsache, daß sein Vorgehen als richtig befunden worden war. Schließlich hatte er nur getan, was man ihm befohlen hatte.
    Damit war der Vorfall also abgeschlossen, ein kleiner Zwischenfall unter mehr als hundert ähnlichen, die den Offizier vom frühen Morgen an

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