Waren Sie auch bei der Krönung?
direkt auf das vorbeifahrende königliche Paar gerichtet. In einer blitzschnellen Bewegung stürzte sich der tapfere, wachsame Hauptmann Clagg von seinem Roß. Ein tolles Aufheulen des irren Mörders, ein Aufblitzen, eine Detonation! Langsam sank Hauptmann Clagg auf dem Gehsteig zusammen. Die für die Königin bestimmte Kugel hatte seine Brust durchbohrt. Der Wahnsinnige rang mit den Polizisten, aber die Gefahr war vorüber. Die Königin war gerettet!
Aber Hauptmann Clagg wußte, daß seine Wunde tödlich war. Schon hatten gütige Hände ihn zu einer sitzenden Stellung aufgerichtet. Ein Arzt, der mit seiner schwarzen Instrumententasche an seiner Seite kniete, schüttelte den Kopf und sagte: «Wehe! Wir können ihm nicht mehr helfen!»
Die Menge ringsum geriet plötzlich in Bewegung und teilte sich, und Hauptmann Clagg hörte den Ruf: «Platz! Platz für Ihre Majestät die Königin!»
Die Königin in ihrem silbernen Gewand, die diamantengeschmückte goldene Krone auf dem Haupt und das goldene Zepter in der Hand, kniete im nächsten Augenblick an seiner Seite nieder und bettete seinen Kopf an ihrer Brust, ohne zu beachten, daß sein Lebensblut aus seiner Wunde strömte.
Er hörte ihre leise, süße Stimme, vor unterdrückter Erregung bebend, die Frage stellen: «Wie lauten der Name und der Rang dieses Tapferen, der sein Leben für das meine geopfert hat?»
Im nächsten Moment beugte sich auch der Herzog von Edinburg über ihn und sagte: «Tapferer Hauptmann, edler Krieger! Sie haben meine Gemahlin gerettet, Sie haben die Königin gerettet, Sie haben die Nation gerettet!»
Hauptmann Clagg blickte in die wunderbaren Augen seiner Monarchin, aus denen eine Träne auf seine Wange fiel. Die Träne einer Königin, kostbarer als jeder Diamant in ihrer Krone! «Ich sterbe glücklich, Majestät!» hauchte Hauptmann Clagg.
Ein Herold in steifem Waffenrock, scharlachrot und golden leuchtend, bahnte sich einen Weg durch die Menge, nahm eine stramme Haltung an und meldete: «Majestät! Eurem Befehl entsprechend habe ich dieses feststellen können: der mutige Mann, der hier sein Leben aushaucht, ist kein anderer als Hauptmann John Clagg, ein ehemaliger Schüler der Elementarschule in Little Pudney bei Sheffield. Seine stolzen Eltern sind William und Violet Clagg. Mr. Clagg arbeitet auf verantwortlichem Posten am Schmelzofen Nr. 2 der Pudney-Stahlwer-ke. Er hat auch eine Großmutter, Mrs. Bonner, die immer voraussagte, daß es mit ihm kein gutes Ende nehmen würde. Wie sie ihre Worte bereuen wird, wenn sie von seinem edlen Opfer hört! Denn ohne sein scharfes Auge und ohne seine Geistesgegenwart wäre Majestät — »
Der Herold konnte nicht fortfahren, denn bei dem Gedanken an die furchtbare Tragödie, die eben verhütet worden war, übermannte ihn die Erregung.
Jetzt erhob sich die Königin und nahm von ihrer Brust das blaue Band und den Diamantenstern des Hosenbandordens und legte sie auf Hauptmann Claggs Körper. Dann berührte sie seine Schultern mit ihrem goldenen Zepter und sprach die hallenden Worte: «Nein, wahrhaftig nein! Nicht mehr einfach Hauptmann Clagg! So stirb denn, wenn es sein muß, tapferer Soldat, für Elisabeth die Zweite und für dein Land, aber stirb als Hauptmann Lord Clagg, Erster Baron Pudney!»
Irgend jemand in der Menge beantragte daraufhin drei Hochrufe für seine Lordschaft, und sie ertönten aus willigen Kehlen. Die Königin beugte sich nieder und küßte zärtlich seine Stirn, während ihr königlicher Gemahl ihm die Hand drückte. Hauptmann Clagg fühlte, daß ihm vor Freude die Sinne schwanden.
In diesem Augenblick wurde sich Johnny bewußt, daß ihn seine Mutter an der Hand zerrte. Damit waren seine Zweifel gelöst, ob er nun voller Anstand sterben — wie es offenbar alle von ihm erwarteten — und einen Grabstein mit der schönen Inschrift «Retter der Königin» erhalten solle oder ob er wunderbarerweise genesen und als Baron Pudney, Favorit der Königin, weiterleben solle.
«Du mußt rufen, Johnny!» mahnte ihn seine Mutter. «Die Königin kommt vorbei! Gott segne und bewahre unsere huldvolle Königin!»
Der süße Wachtraum entwich. Immer unterbrachen die Erwachsenen seine Phantasien. Lord Clagg von Pudney wurde beiseite gelegt; seine Abenteuer würden fortgesetzt werden, wenn er abends allein in seinem Bett lag. Johnny schrie pflichtgetreu: «Gott schütze die Königin! Es lebe die Königin!» Er stand wieder hinter der Barriere, ein nasser, hungriger, müder,
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