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Waren Sie auch bei der Krönung?

Waren Sie auch bei der Krönung?

Titel: Waren Sie auch bei der Krönung? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Gallico
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Gegenwart aufgestiegen.
    Später am Abend wurde der Ansturm der heimkehrenden Massen auf die Verkehrsmittel heftiger, weniger gutartig und wilder; das Fassungsvermögen der Züge und Bahnsteige stand in gar keinem Verhältnis zu der Menschenzahl. Aber da es erst halb sieben Uhr war, gab es noch nicht so viele Heimkehrer. Vorläufig handelte es sich nur um jene, die, weil sie eine lange Fahrt vor sich hatten, früh aufgebrochen waren, oder um die Vernünftigen, die auf das Feuerwerk und die Illuminationen verzichteten, um bequemer heimfahren zu können. Nichtsdestoweniger war der Bahnhof gedrängt voll, wenn sich auch alles in heiterer Stimmung und durchaus erträglich abspielte. Und durch das Gedränge steuerte Will Clagg seine Familie zum Midland Express, Abfahrt 18.58 Uhr.
    Wie alle andern bahnten sie sich durch Drängen und Stoßen einen Weg gegen das Drängen und Stoßen, das sie von allen Seiten umgab und vorwärts- und zurückschob, bis sie sich schließlich der Kolonie ihrer Bruder- und Schwesterameisen anschlossen — oder von ihr aufgesaugt wurden die alle in dieselbe Richtung strebten, und von da an bewegten sie sich ganz automatisch vorwärts. Durch die Sperre, den Bahnsteig entlang, in die leeren, wartenden Wagenabteile, und da fanden dank ihres Entschlusses, früh aufzubrechen, alle fünf Sitzplätze: Johnny und Gwendoline am Fenster, Will und Elsie und Violet neben ihnen. Mit einem tiefen Seufzer der Erleichterung sanken sie in die harte Polsterung der schmutzigen Sitze. Erst jetzt wurde ihnen klar, wie müde sie waren.
    Der kleine Johnny saß auf der Bahnsteigseite des Abteils. Als er durch das Fenster die anscheinend endlosen Menschenströme sah, wurde der müde Ausdruck in seinen jungen Augen durch einen aufgeregten Glanz abgelöst, sooft er hier und da in der grauen Menge eine rote, grüne oder blaue Uniform erblickte. Seine rechte Hand steckte, seinen Talisman umklammernd, tief in der Hosentasche, und sein Zeigefinger betastete die Umrisse des wunderbaren Metallabzeichens, das jetzt von der Berührung mit seinem Körper ganz warm war. Er fühlte die Initialen darauf, das Wappen, den Löwen und das stehende Einhorn. Er hätte es gern hervorgezogen, um es zu betrachten, um sich mit eigenen Augen davon zu überzeugen, daß es tatsächlich existierte und für immer sein Eigentum war. Aber er fürchtete, daß, wenn er es jetzt herausholte, irgendein Mitglied seiner Familie verlangen würde, es zu sehen. Vielleicht würde man es ihm sogar wegnehmen. So mußte er warten, bis er allein war.
    Gwendoline hatte die Hände im Schoß und träumte. Was immer auch der Inhalt ihres Traums sein mochte, er führte dazu, daß ihre Mundwinkel geheimnisvoll verzogen waren. Ihre Augen waren verschlafen, aber sie verrieten Verwunderung.
    Großmutter Bonner war vor Alter und einer an Erschöpfung grenzenden Müdigkeit still zusammengesunken. Sie saß auf ihrem Platz, ohne den drei Fremden Beachtung zu schenken, die hereingekommen waren, um die restlichen der acht Plätze des Abteils zu besetzen. Haarsträhnen hingen ihr unordentlich über die Augen; ihre Brille war heruntergerutscht, die Farbe ihres Gesichts war aschgrau, und sie sah um zehn Jahre älter aus, als sie tatsächlich war.
    Violet Claggs Züge spiegelten die Bitterkeit und Apathie wider, di° sich ihrer in der Wärme des Abteils bemächtigt hatten. Sie hatte die Schuhe ausgezogen, und als sie nun so dasaß, war sie sich ihrer schmerzenden Füße ebenso bewußt wie der Stimmen der Mutlosigkeit und Verzagtheit, die ihr zuflüsterten: es ist immer dasselbe, es wird immer dasselbe sein. Nichts war so schön, wie man es versprach oder in den Inseraten behauptete. Nichtsdestoweniger fiel man immer wieder auf die Verprechungen herein und erlebte immer aufs neue die Enttäuschung zerstörter Illusionen.
    Für Will Clagg war es nichts Neues, vom Morgen bis zur Abenddämmerung auf den Beinen zu sein; seine stählernen Muskeln schmerzten nicht, obwohl es wohltat, den gepolsterten Sitz unter sich zu spüren. Aber die Qual des Fiaskos nagte noch immer an ihm. Was immer er auch versuchte, er konnte seine Gedanken nicht von seinem abgrundtiefen Versagen an diesem Tage loslösen, dem Verlust seines Geldes, der Erschütterung seines Prestiges als Familienoberhaupt und vor allem dem Schmerz, den ihm die Enttäuschung seiner Kinder verursachte.
    Er forschte im Geiste nach den kleinen, versöhnlichen Vorfällen, die sich ereignet hatten. Er dachte an das Abzeichen, das der hohe

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