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Warm Bodies

Warm Bodies

Titel: Warm Bodies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isaac Marion
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aufs Spielfeld angetreten haben, damals, als Tausende Menschen etwas derart Belangloses noch bejubeln konnten. Der Tunnel auf der anderen Seite führt in die Welt der Lebenden, da liegt es nahe, dass dieser auf einen Friedhof führt.
    Julie zeigt den Wachen eine Erkennungsmarke, und sie winken uns durch das hintere Tor. Wir betreten ein hügeliges, von Hunderten Metern Maschendraht umzäuntes Feld. Schwarzer Hagedorn windet sich grau und golden marmoriert zum Himmel, wacht über klassische Grabmäler mit Kreuzen und Heiligenstatuen. Wahrscheinlich hat man sie aus aufgegebenen Beerdigungsinstituten entwendet, die ursprünglich eingravierten Namen und Daten jedenfalls sind mit einer kruden weißen Schablonenschrift überdeckt. Die Inschriften erinnern an Graffitis.
    »Hier begraben wir … was von uns übrig ist«, sagt Julie. Sie geht ein paar Schritte vor, Nora und ich bleiben am Eingang zurück. Hier draußen, das geschlossene Tor im Rücken, ist der pulsiernde Lärm menschlicher Geschäftigkeit fern, ersetzt durch die stoische Stille der wahrhaft Toten. Jeder Körper, der hier ruht, ist entweder kopflos, hat einen Hirnschuss oder ist nicht mehr als ein Rest aus Knochen und halbverzehrtem Fleisch in einer Kiste. Ich kann verstehen, warum der Friedhof außerhalb der Stadionmauern liegt: nicht nur, dass er mehr Platz in Anspruch nimmt als die Anbauflächen im Stadion zusammen, er ist auch schlecht für die Moral. Er ist eine weit grimmigere Mahnung als die sonnenbeschienenen Gräberfelder der alten Welt mit ihrem requiem aeternam ; er ist ein flüchtiger Blick in die Zukunft. Nicht die von Individuen, deren Tod wir akzeptieren können, sondern die Zukunft der Spezies, der Zivilisation, der Welt.
    »Bist du sicher, dass du da heute reinwillst?«, fragt Nora Julie leise.
    Julie schaut auf die Hügel aus braunem Gras. »Ich gehe jeden Tag hin. Heute ist ein Tag. Heute ist Dienstag.«
    »Ja, aber … sollen wir hier warten?«
    Julie wirft mir einen Blick über die Schulter zu und überlegt einen Augenblick. Dann schüttelt sie den Kopf. »Nein. Kommt.« Sie geht los, und ich folge ihr. Nora hängt ein Stück hinter uns zurück, leises Unbehagen im Gesicht.
    Auf diesem Friedhof gibt es keine Wege. Julie geht stracks geradeaus, steigt über Grabsteine und über Grabhügel, von denen viele immer noch weich und schlammig sind. Ihre Augen sind auf eine hohe, von einem Marmorengel gekrönte Säule gerichtet. Vor ihr bleiben wir stehen, Julie und ich, Seite an Seite, Nora hängt noch immer zurück. Ich gebe mir Mühe, den Namen auf dem Grab zu entziffern, aber er offenbart sich mir nicht. Nicht mal die ersten beiden Buchstaben erschließen sich mir.
    »Das ist … meine Mom«, sagt Julie. Der kühle Abendwind bläst ihr die Haare in die Augen, aber sie lässt es geschehen. »Sie ging fort, als ich zwölf war.«
    Nora krümmt sich, dann schlendert sie weiter, tut so, als würde sie die Grabinschriften lesen.
    »Sie ist wohl verrückt geworden«, sagt Julie. »Nachts alleine in die Stadt gelaufen, und das war’s dann. Ein paar Stücke von ihr haben sie noch gefunden, aber … in dem Grab da ist nichts.« Ihre Stimme klingt beiläufig. Ich erinnere mich, wie sie am Flughafen versucht hat, die Toten zu imitieren, erinnere mich an das Übertriebene, die hauchdünne Maske. »War wohl zu viel für sie, das alles.« Sie deutet vage auf den Friedhof und das Stadion, das hinter uns liegt. »Sie war ein echter Freigeist, weißt du? Diese wilde Zigeunergöttin voller Feuer. Sie hat meinen Dad kennengelernt, als sie neunzehn war, er hat sie von den Socken gehauen. Schwer zu glauben, aber damals war er Musiker. Hat Keyboard in einer Band gespielt und war ziemlich gut. Sie haben echt jung geheiratet, und dann … ich weiß nicht … wurde aus der Welt ein Haufen Scheiße, und Dad hat sich verändert. Alles hat sich verändert.«
    Ich versuche in ihren Augen zu lesen, doch ihr Haar verdeckt sie. Ich höre ein Beben in ihrer Stimme. »Mom hat es versucht. Sie hat es wirklich versucht. Sie hat ihren Teil getan, alles zusammenzuhalten, sie hat ihre Arbeit gemacht, und sonst hat sich alles um mich gedreht. Sie hat alles in mich gesteckt. Dad war nur selten zu Hause, also gab es nur sie und die kleine Göre. Ich weiß noch, wie viel Spaß ich hatte. Ständig ist sie in den Wasserpark mit mir gegangen, damals in …« Ein winziger Schluchzer überrumpelt sie, erstickt die Worte, und sie hält sich die Hand vor den Mund. Hinter den schmutzigen

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