Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Warm Bodies

Warm Bodies

Titel: Warm Bodies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isaac Marion
Vom Netzwerk:
dem Stein. Ein mulmiges Schwindelgefühl fährt mir in die Beine, als täte sich eine tiefe Grube vor mir auf und zöge mich mit dunkler, unerbittlicher Macht an ihren Rand. Wieder spüre ich das Zucken im Bauch, ich fühle einen heftigen Ruck im Stammhirn … Ich falle.

Ich bin Perry Kelvin, und das ist der letzte Tag meines Lebens.
    Was für ein komisches Gefühl, mit diesem Gedanken aufzuwachen.
    Mein ganzes Leben habe ich mit dem Wecker gerungen und mit wachsendem Selbstekel die Schlummertaste gedrückt, bis das Schamgefühl endlich so groß war, dass es mich in die Senkrechte hievte. Es war nur an den hellsten Vormittagen, diesen seltenen Tagen des Elans, der Vorsätze und der eindeutigen Gründe für meine Existenz, dass ich einfach aufgesprungen bin. Wie sonderbar also, dass ich es heute tue.
    Julie jammert, als ich mich ihren Armen entziehe und aus dem Bett schlüpfe. Sie zieht meine Hälfte der Decke an sich und rollt sich an der Wand zusammen. Sie wird noch ein paar Stunden schlafen und von endlosen Landschaften und neugeborenen Sternen träumen, deren Farbigkeit zugleich wunderschön und beängstigend ist. Wenn ich bliebe, würde sie aufwachen und sie mir beschreiben. All diese verrückten Verwicklungen und eine surrealistische Bildsprache, die für sie so lebendig und für mich bedeutungslos sind. Es gabeine Zeit, in der ich es zu schätzen gewusst habe, ihr zuhören zu dürfen, eine Zeit, in der ich den Aufruhr ihrer Seele bittersüß und reizend fand, aber ich kann es nicht länger ertragen. Ich beuge mich über sie, um ihr zum Abschied einen Kuss zu geben, doch meine Lippen erstarren, und ich kann nicht. Ich ziehe mich zurück und verlasse sie ohne eine Berührung.
    Vor zwei Jahren wurde mein Vater von der Mauer, die er baute, zerquetscht, und ich wurde Waise. Ich vermisse ihn seit siebenhundertunddreißig Tagen, meine Mutter vermisse ich sogar noch länger, doch schon morgen werde ich gar niemanden mehr vermissen. Darüber denke ich nach, während ich die Wendeltreppe des Waisenhauses, dieser erbärmlichen Heimstatt der Heimatlosen, hinabsteige und in die Stadt eintauche. Dad, Mom, Grandpa, meine Freunde … morgen vermisse ich niemanden mehr.
    Es ist noch früh, und die Sonne hat kaum die Berge erklommen, doch die Stadt ist schon hellwach. Auf den Straßen drängen sich Arbeiter, Baukolonnen, Mütter, die mountainbikebereifte Kinderwagen schieben, und Pflegemütter, die die Kinder reihenweise wie Vieh vor sich hertreiben. Irgendwo in der Ferne spielt jemand Klarinette; die bebenden Noten liegen wie Vogelgezwitscher in der Morgenluft, und ich versuche sie auszublenden. Ich will keine Musik hören, ich will keinen rosafarbenen Sonnenaufgang. Die Welt ist eine Lügnerin. Ihre Hässlichkeit ist überwältigend; was an Schönheit abfällt, macht es nur schlimmer.
    Ich suche mir meinen Weg zum Verwaltungsgebäude in der Insel-Straße und erkläre der Frau am Empfang, ich sei für sieben Uhr mit General Grigio verabredet. Sie bringt mich zu seinem Büro und schließt hinter mir die Tür. Der General schaut nicht mal von seiner Arbeit auf. Er deutet bloß mit dem Finger in meine Richtung. Ich stehe da undwarte, lasse meinen Blick über die Wände wandern. Ein Bild von Julie. Ein Bild von Julies Mutter. Ein verblichenes Bild von ihm selbst und einem jüngeren Colonel Rosso in einer richtigen Uniform der U.S. Army. Vor der Skyline eines überfluteten New York rauchen sie Zigaretten. Daneben hängt noch ein Bild von zwei Männern, die Zigarette rauchen, diesmal das zerstörte London im Hintergrund. Dann das ausgebombte Paris. Dann das brandschwelende Rom.
    Der General ist endlich fertig. Er nimmt die Brille ab und sieht mich an. »Mr. Kelvin«, sagt er.
    »Sir.«
    »Ihre allererste Bergung als Teamchef.«
    »Ja, Sir.«
    »Sind Sie bereit?«
    Meine Zunge zögert einen Moment, als Bilder von Pferden und Cellisten und roten Lippen an einem Weinglas durch meinen Kopf jagen und mich vom Kurs zu bringen versuchen. Ich verbrenne sie wie einen alten Film. »Ja, Sir.«
    »Gut. Hier ist Ihre Exitkarte. Sie treffen sich im Gemeinschaftszentrum mit Colonel Rosso. Da bekommen Sie Ihre Teamorder.«
    »Danke, Sir.« Ich nehme das Dokument und drehe mich um, bleibe aber auf der Türschwelle stehen. »Sir?« Meine Stimme zittert, obwohl ich mir geschworen habe, dass es dazu nicht kommt.
    »Ja, Perry?«
    »Kann ich frei sprechen, Sir?«
    »Nur zu.«
    Ich befeuchte meine trockenen Lippen. »Gibt es einen Grund für all

Weitere Kostenlose Bücher