Warm Bodies
sehen.«
Sie mustert mich. »Wieso?«
»Will … sehen … wie ihr lebt. Lebendige … Menschen.«
Ihre Lippen werden schmal. »Zu riskant. Jemand würde dich erkennen.«
»Ach komm, Julie«, sagt Nora. »Er hat es bis hier rein geschafft, lass ihn uns rumführen! Wir können ihn herrichten, verkleiden. Er ist sogar an Ted vorbeigekommen, ich bin sicher, dass er auch ein bisschen herumspazieren kann, wenn wir aufpassen. Du passt auf, ja, R?«
Ich nicke, Julie noch immer im Blick. Sie lässt sich Zeit. Dann rollt sie sich auf den Rücken, schließt die Augen und seufzt leise, was sich wie eine Zusage anhört.
»Juhu!«, sagt Nora.
»Wir können es versuchen. Aber keine Runde, R, bis du nicht zurechtgemacht bist und überzeugend aussiehst. Und wenn ich jemanden sehe, der dich anglotzt, ist die Tour vorbei. Abgemacht?«
Ich nicke.
»Kein Nicken. Sag es.«
»Abgemacht.«
Sie krabbelt unter den Laken hervor und klettert auf das Bett. Sie mustert mich von oben bis unten. »Okay«, sagt sie, die Haare stehen ihr zu Berge. »Machen wir dich vorzeigbar.«
Ich wünschte, mein Leben wäre ein Film, und ich könnte es schneiden und montieren. Eine kurze Bildsequenz zu irgendeinem tristen Popsong wäre weit besser zu ertragen als diese mörderischen zwei Stunden, die die Mädchen mit dem Versuch verbringen, mich zu verwandeln, zurück zu etwas, das gemeinhin als Mensch gilt. Sie waschen und schneiden mein Haar. Sie verschleißen eine neue Zahnbürste an meinen Zähnen, auch wenn nicht mehr drin ist als das Lächeln eines kaffeesüchtigen Briten. Sie versuchen mich in einige von Julies jungenhafteren Klamotten zu stecken, aber Julie ist eine Elfe, und wie ein Bodybuilder bringe ich ihre TShirts zum Platzen und die Knöpfe zum Springen. Am Ende geben sie auf, und ich warte nackt im Badezimmer, bis mein altes Business-Outfit aus der Waschmaschine kommt.
In der Zwischenzeit beschließe ich zu duschen. Ich hatte schon lange vergessen, wie das ist, und ich genieße es wie einen ersten Schluck Wein, einen ersten Kuss. Das dampfende Wasser rinnt über meinen ramponierten Körper, wäscht Monate oder Jahre Dreck und Blut von mir ab, meinBlut und viel Blut von anderen. All der Schmutz gurgelt den Abfluss hinab und in die Unterwelt, in die er gehört. Meine wahre Haut taucht auf, fahlgrau, von Schnitten und Kratzern und oberflächlichen Schusswunden gezeichnet, aber sauber.
Es ist das erste Mal, dass ich meinen Körper sehe.
Als meine Kleider trocken sind und Julie die schlimmsten Löcher gestopft hat, ziehe ich mich an und genieße das ungewohnte Gefühl von Sauberkeit. Mein Hemd klebt nicht länger an mir. Meine Hosen scheuern nicht mehr.
»Du solltest die Krawatte weglassen«, sagt Nora. »So aufgedonnert liegst du mindestens zehn Weltkriege hinter dem Trend.«
»Nein, lass sie«, fleht Julie. Sie begutachtet den schmalen Streifen Stoff mit einem verschmitzten Lächeln. »Ich mag die Krawatte. Ohne sie wärst du ganz und gar grau.«
»Ihm dabei helfen, nicht aufzufallen, wird sie bestimmt nicht, Jules. Weißt du noch, wie sie uns angestarrt haben, als wir angefangen haben, mit Sneakers anstelle der Arbeitsstiefel rumzulaufen?«
»Eben. Die Leute wissen schon, dass du und ich keine Uniform tragen; solange wir bei R sind, könnte er in Spandex-Shorts und Zylinder rumlaufen, ohne dass jemand ein Wort darüber verlieren würde.«
Nora lächelt. »Die Idee gefällt mir.«
Die Krawatte also bleibt, in ihrer ganzen seidig roten Inkongruenz. Julie hilft mir, sie zu binden. Sie bürstet mein Haar und schmiert etwas hinein. Nora hüllt mich in Körperspray-Wolken.
»Igitt, Nora«, protestiert Julie. »Ich hasse das Zeug. Und er stinkt ja nicht mal.«
»Er stinkt ein bisschen.«
»Ja, jetzt schon.«
»Besser, er riecht wie ein Chemiewerk als wie ein Leichnam, oder? Es wird die Hunde von ihm fernhalten.«
Es gibt eine Diskussion, ob ich eine Sonnenbrille tragen soll, um meine Augen zu verdecken, aber schließlich kommen sie zu dem Entschluss, dass das noch verdächtiger wäre, als das ätherische Grau zu zeigen.
»So auffällig ist es gar nicht«, sagt Julie. »Solange du dir kein Blickduell leistest.«
»Du machst das schon«, fügt Nora hinzu. »Die Leute schauen sich hier sowieso nicht ins Gesicht.«
Der letzte Schritt ihres Umgestaltungsplans ist Make-up. Wie ein Hollywood-Starlet, das für die Nahaufnahme fertig gemacht wird, sitze ich vor dem Spiegel und werde gepudert, sie legen mir Rouge auf, sie kolorieren
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