Warnschuss: Thriller (German Edition)
zu vermeiden, dass mögliche Fingerabdrücke darauf verschmiert wurden. Duncan hatte sie nicht angerührt, aber er griff nach der Visitenkarte, die mit im Umschlag gelegen hatte. Darauf stand, genau wie auf der Karte, die sie bei seiner Leiche gefunden hatten, in Prägeschrift Meyer Napolis Name, seine Geschäftsadresse sowie eine Reihe von Telefonnummern, unter denen er zu erreichen war.
Gerard sagte: »Napoli hat Ihre Frau erpresst.«
Der Richter seufzte schwer. »So sieht es aus. Und da diese Bilder für mich bestimmt waren, nehme ich an, dass er mich ebenfalls erpressen wollte.«
»Sie wussten nicht, dass Mrs Laird Robert Savich kannte?«
Mit dieser Frage entfachte DeeDee seinen Zorn. »Natürlich nicht.«
Auf allen Bildern waren beide voll bekleidet. So gut wie alle Fotos waren im Freien aufgenommen worden, obwohl der Hintergrund auf den Nahaufnahmen nur schwer auszumachen war. Das Paar wirkte nicht übertrieben vertraulich, aber beide schienen sich miteinander wohl zu fühlen und waren in ihre Unterhaltung vertieft. Die Fotos hatten nichts Anstößiges oder Kompromittierendes an sich, wenn man davon absah, dass die Frau eines Strafrichters in Gesellschaft eines bekannten Kriminellen zu sehen war. Das allein war eine explosive Mischung.
»Wenn ich raten sollte …«
»Bitte, Richter«, munterte Gerard ihn auf, als er ins Stocken kam.
»Wenn ich raten sollte, würde ich annehmen, dass Napoli über diese … diese Verbindung stolperte, als er Elise in meinem Auftrag beschattete. Sobald er sie mit Savich zusammen sah, wurden ihre Treffen mit Coleman Greer zur Nebensache.« Er sah kurz auf die Bilder und sofort wieder weg. »Napoli muss erkannt haben, dass diese Bilder uns beiden schaden konnten. Und er versuchte diese scheinbare Goldader auszubeuten.«
»Trotter war sein Botenjunge«, sagte DeeDee.
Der Richter verzog das Gesicht. »Das nehme ich an. Doch Elise durchkreuzte seinen Plan, ob nun absichtlich oder versehentlich – wobei ich natürlich lieber an Letzteres glaube.«
»Hätte sie in der Zeit, nachdem sie geschossen hatte und bevor Sie ins Arbeitszimmer kamen, Gelegenheit gehabt, einen Satz Fotos zu verstecken?«
Er nickte knapp. »Sie hätte sie irgendwo zwischen die Bücher schieben können, um sie später zu holen. Tatsächlich habe ich sie in letzter Zeit mehrmals in meinem Arbeitszimmer
überrascht, und sie war jedes Mal sichtlich erschrocken. Das war ihr schlechtes Gewissen, wie ich jetzt begreife.« Er grübelte kurz darüber nach und sagte dann: »Wahrscheinlich hat sie die Bilder, die Trotter ihr geliefert hatte, vernichtet. Aber Napoli hatte, wie er eben ist, natürlich einen zweiten Satz. Diesen Satz.«
»An dem entscheidenden Abend hat Napoli ihr auf der Brücke erklärt, dass er Ihnen die Bilder geschickt hat«, mutmaßte Gerard.
»Ich nehme an, sie geriet in Zorn und …«
»Und hat ihn mit Ihrer Zweiundzwanziger erschossen«, beendete DeeDee den Satz für ihn.
Der Richter schlug beide Hände vors Gesicht und begann zu weinen.
»Sollen wir jemanden für Sie anrufen?«, fragte Gerard leise.
Er schüttelte den Kopf, aber er nahm die Hände nicht vom Gesicht und sprach auch nicht.
Gerard deutete auf die Tür, und die Detectives schlichen hinaus. »Ich finde, er hat ein paar ungestörte Minuten verdient«, sagte der Captain zu seinen Untergebenen, sobald sie Duncans Büro verlassen hatten.
»Da hat er richtig in die Scheiße gelangt«, sagte Worley. »Napoli ist schon übel, aber Savich? Mann. Wie passt der überhaupt da rein?«
Duncan konnte das nicht beantworten, außerdem war er damit beschäftigt, einen höchst verstörenden Gedanken abzuwehren. War es tatsächlich möglich, dass Savich Elise zu ihm geschickt hatte? Ihm stand noch vor Augen, wie hämisch Savich ihn aufgezogen hatte, weil er sich so für Elise interessierte. War sie Savichs Geheimwaffe gewesen, jene Waffe, vor der Duncan sich am meisten gefürchtet hatte, weil er sie nicht kommen sehen würde? Jene Waffe, die ihn zerstören würde?
Gerard holte ihn aus seinen Gedanken. »Ich werde das noch mit dem Chef absprechen, aber ich glaube, es wird Zeit für einen zweiten Durchgang mit Gordie Ballew.« Er bat DeeDee, Gordies Pflichtverteidiger anzurufen und alles in die Wege zu leiten. »Wir wollen sobald wie möglich mit ihm sprechen«, rief Gerard ihr nach, als sie schon auf dem Weg zum Telefon war. »Noch heute Abend. Machen Sie ihm das ganz klar.«
»Kapiert.«
»Sieht so aus, als würde das kleine Wiesel
Weitere Kostenlose Bücher