Warnschuss: Thriller (German Edition)
Notaufnahme hatte er die Nacht in der Arrestzelle verbracht und dort ohne Zweifel bibbernd auf seiner Pritsche gelegen und immer wieder den Augenblick durchlebt, in dem er jene Todesangst ausstehen musste, die er so oft anderen eingeflößt hatte.
»Orange steht ihm gar nicht«, bemerkte DeeDee.
Sie und Duncan saßen auf der Zuschauerbank des Kammergerichts und beobachteten interessiert, wie Savich zur Kautionsanhörung auf seinen Platz am Tisch der Verteidigung geführt wurde. Davor war er vor einer anderen Gerichtskammer offiziell des Mordes an Meyer Napoli angeklagt worden. Wie nicht anders zu erwarten, hatte Stan Adams im Namen seines Mandanten auf »nicht schuldig« plädiert.
Zu seinem letzten Prozess, der nur wenige Wochen zuvor in ebendiesem Gerichtssaal abgehalten worden war, war Savich täglich tipptopp gekleidet erschienen. Heute wirkte er in seinem orangefarbenen Overall und den Turnschuhen ohne Schnürsenkel wie ein ganz anderer Mensch. Trotz des dicken Verbandes an seiner rechten Hand hatte man ihm Handschellen angelegt. Die Fußknöchel waren durch Ketten mit den Eisenringen um seine Handgelenke verbunden. Seine Haare waren ungekämmt. Kein Diamant glitzerte in seinem Ohrläppchen.
»Schon, aber sieht er nicht prächtig aus?« Duncan starrte das Profil des Mannes an, als wollte er erzwingen, dass Savich sich umdrehte und ihn ansah, obwohl er genau
wusste, dass das nicht passieren würde. Duncan hatte gesiegt. Das ertrug Savich nicht.
»Hör auf zu zappeln.« DeeDee presste die Hand auf sein auf und ab wippendes Knie. »Wieso bist du so nervös?«
»Ich bin nicht nervös. Eher freudig erregt.« Er spürte den schweren Blick seiner Partnerin und sah sie an. »Was ist?«
»Es ist was Ernstes, nicht wahr? Das zwischen dir und ihr. Es ist … so was, was wirklich zählt.«
»Für mich ganz eindeutig. Für sie hoffentlich auch.« Er blickte auf die noch leere Richterbank, wo Cato Laird bald in gewohnt arroganter und aufgeblasener Art die Anhörung eröffnen würde. »Sie wird darüber hinwegkommen. Sie muss als sie selbst, nicht als seine Frau zu leben beginnen. Das wird eine Umstellung. Sie hat so lange in Angst und Misstrauen gelebt. Bestimmt dauert es seine Zeit, bis sie sich von alldem befreit hat.«
»Also, ich wollte dir nur sagen – nicht dass du meine Erlaubnis oder auch nur mein Einverständnis bräuchtest –, aber für mich ist das cool. Dass ihr zwei zusammen seid, meine ich.«
Er drehte sich zu ihr um und lächelte sie an. »Danke.«
»Nur falls du gezweifelt haben solltest.«
»Danke«, wiederholte er. Er sah auf die Uhr. »Sie verspäten sich.«
Sie nickte zu Savich hin, der sich nicht mehr gerührt hatte, seit er an seinen Platz geführt worden war. »Er versucht so zu tun, als wäre er gar nicht hier.«
»Aber das ist er. Das ist sein letzter Tag in Freiheit, und das weiß er.«
»Du kannst darauf wetten, dass das Schlimmste für ihn ist, wie ein gewöhnlicher Krimineller behandelt zu werden.«
»Außergewöhnlich ist er jedenfalls nicht«, bemerkte Duncan.
»Als ich abgedrückt habe, hat er sich in die Hose gemacht.«
»Ich kann’s ihm nicht verübeln. Ich hätte mich selbst fast eingepinkelt. Zum Glück für ihn hast du die letzte Kammer in deinem Revolver leer gelassen. Warum eigentlich? Weil du dir ausgerechnet hast, dass es zu diesem letzten Showdown kommen würde?«
»Ganz genau«, sagte er. »Wäre eine Kugel in der Kammer gewesen, hätte ich den Hurensohn womöglich gekillt.«
»Erheben Sie sich«, dröhnte der Gerichtsdiener.
DeeDee war nach Duncans letzter Bemerkung so perplex, dass sie erst nach allen anderen im Gerichtssaal auf die Füße kam, als Richter Cato Laird in den Raum stolzierte und seinen Platz einnahm.
Sein Blick überflog das Publikum und kam kurz auf DeeDee zu liegen, ehe er zu Duncan weiterwanderte. Die beiden hielten sekundenlang Augenkontakt, ehe Laird ansetzte:
»Mr Adams, Sie vertreten Mr Savich?«
»Ja, Euer Ehren.« Stan Adams erhob sich.
»Er ist des Mordes an Meyer Napoli angeklagt.«
»Wozu er sich nicht schuldig bekannt hat. Bevor wir fortfahren, Euer Ehren, möchte ich darauf hinweisen, dass die Fesseln meinen Mandanten unnötig behindern, weshalb ich beantrage, sie für die Dauer der Sitzung abzunehmen.«
»Die Sitzung wird nicht lang dauern, Mr Adams. Der Antrag ist abgelehnt.« Dann schlug er der Wirkung wegen mit dem Hammer auf den Tisch.
Duncan fiel auf, dass Laird es vermied, Savich direkt anzusehen.
»Mr Nelson«,
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