Warnschuss: Thriller (German Edition)
Strafzettel von einer der berüchtigten Politessen von Savannah verpasst zu bekommen, eine Karte aufs Armaturenbrett, die ihn als Polizisten auswies. Er betete um einen Windzug, drückte die
Wagentür auf und stieg aus. Die Luft stand still und schien ihn zu erdrücken. Auch nachdem die Sonne untergegangen war, strahlte die Hitze vom Gehsteig ab und drang durch seine Schuhsohlen.
»Willst du den Klatsch gleich hören oder später?«, fragte DeeDee, während sie auf den Eingang des Bürogebäudes zugingen.
»Jetzt.«
»Der Richter war ein eingefleischter Junggeselle, der kurze Affären mit Witwen oder geschiedenen Frauen pflegte, ohne dass er je Heiratsabsichten gezeigt hätte. Warum den Familienbesitz teilen? Aber Elise warf ihn um. Er schlug ungebremst auf. Man erzählt sich, sie hätte ihn erst um den Verstand gevögelt und ihn süchtig nach ihrem Körper gemacht und sich dann geweigert, noch mal mit ihm ins Bett zu steigen, bevor er sie geheiratet hatte.«
»Warum braucht dieser verfluchte Aufzug so lang?« Die Klimaanlage im Gebäude war zwar angenehm, sie trug aber wenig dazu bei, Duncans Gereiztheit zu lindern, die er auf die schwüle Hitze draußen schob. Er schlug mehrfach auf den Aufzugknopf, hörte aber kein Rumpeln, das darauf hingedeutet hätte, dass sich im Schacht irgendetwas bewegen würde. »Nehmen wir die Treppe. Es sind nur zwei Stockwerke.«
DeeDee folgte ihm die Betontreppe hinauf. Nach jahrzehntelanger Abnutzung waren die Stufen in der Mitte durchgetreten. Eine Top-Immobilie war das jedenfalls nicht. Die alten Wände strömten einen leichten Schimmelgeruch aus.
»Die Freunde und Kollegen des Richters waren entsetzt über die Verlobung«, erzählte DeeDee. »Der Klunker, den er ihr gekauft hat – ist dir der aufgefallen?«
»Nein.«
»Ein Diamant mit angeblich sechs Karat. Ich würde meinen, das ist vorsichtig geschätzt.«
»Du hast ihn bemerkt?« Normalerweise interessierte sich DeeDee nicht für Schmuck.
»Ich konnte nicht umhin«, sagte sie in seinen Rücken, als sie um den Treppenabsatz im ersten Stock bogen. »Das Ding hätte mich fast erblinden lassen, als wir heute im Wintergarten saßen. Ist dir nicht der Regenbogen aufgefallen, den es an die Wand geworfen hat?«
»Schätze, der ist mir entgangen.«
»Weil du so damit beschäftigt warst, in ihre Augen zu starren.«
Er blieb auf halber Treppe stehen und sah sie über die Schulter an.
»Das warst du wirklich«, verteidigte sie sich.
»Ich habe sie vernommen. Hätte ich dabei die Augen zukneifen sollen?«
»Vergiss es. Geh…« Sie winkte ihm weiterzugehen. Er setzte den Aufstieg fort, und sie nahm den Faden wieder auf. »Also schmeißt der verknallte Richter eine riesige Nobelhochzeit. Unter den gegebenen Umständen hielten manche das für absolut geschmacklos und den Gipfel des Kitsches und meinten, dass seine gierige und anspruchsvolle Verlobte hinter seiner neu erwachten Extravaganz steckte.«
Duncan war im zweiten Stock angekommen. Vor ihm lag ein langer Gang, von dem zu beiden Seiten Türen zu verschiedenen Büros abgingen. Die Namen waren in schwarzen Druckbuchstaben auf das Milchglas aufgebracht. Ein Buchhaltungsservice, ein Anwalt, ein Zahnarzt, der Füllungen zum unglaublich niedrigen Preis von fünfundzwanzig Dollar pro Stück offerierte. Alle hatten schon geschlossen. Aber eine Tür etwa auf halber Höhe stand offen und legte einen Lichtkeil in den ansonsten dunklen Flur. Er konnte Kong mit Napolis Sekretärin reden hören. Ihre Stimme hob und senkte sich aufgeregt.
Bevor er zu ihnen stieß, wollte er die Unterhaltung mit DeeDee abschließen. Er drehte sich zu ihr um und stellte sich ihr in den Weg. »Was für Umstände?«
»Verzeihung?«
»Du hast gesagt, unter den gegebenen Umständen sei die Hochzeit kitschig und geschmacklos gewesen.«
»Die Braut hatte keinen Stammbaum, keinerlei Familie. Wenigstens tauchte niemand zu ihrer Hochzeit auf. Sie hatte keinen Schulabschluss, keinen Besitz, kein Vermögen, kein Aktienportfolio, nichts, was für sie gesprochen hätte. Sie brachte nichts in die Ehe ein außer… na ja, du weißt schon.
Und sie erschien in Weiß. Ein schlichtes Kleid, nichts Aufgerüschtes, aber eindeutig weiß, was manche für den schlimmsten Verstoß gegen die Etikette hielten. Allerdings hatte sie bereits ihr eigenes Briefpapier bestellt. Gute Ware, elfenbeinfarben mit eingeprägter taubengrauer Absenderadresse. Sie schickte in ihrem Namen und im Namen des Richters einen Dankesbrief an
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