Warnschuss: Thriller (German Edition)
dass ich schockiert und entsetzt wäre. Aber ich wusste bereits von Elises vorigem Job.«
»Sie hatten selbst nachgeforscht.«
»Nein, Elise hatte mir davon erzählt. Sie war von Anfang an offen und ehrlich, und dafür liebte ich sie umso mehr. Bekannte, die unsere Beziehung ablehnten, betrachte ich inzwischen als ehemalige Freunde. Wer braucht schon solche Freunde? Elise allerdings macht das zu schaffen. Sie glaubt, unsere Ehe hätte mir geschadet.«
»Hat sie das?«
»Kaum.«
»Sie mussten sich seit der Hochzeit noch nicht wieder um Ihr Richteramt bewerben. Die Wähler könnten sich diesen ehemaligen Freunden anschließen.«
»Ich bin sicher, dass jeder, der gegen mich antritt, Elises Vergangenheit ans Tageslicht zerren wird. Wir sind darauf vorbereitet. Wir werden dazu stehen, es als irrelevant zurückweisen, und damit hat sich die Sache.«
»Nur dass Sie diese Sache Ihre Wiederwahl kosten könnte. Wären Sie dazu bereit?«
»Wofür würden Sie sich entscheiden, Detective? Für das Richteramt oder dafür, jede Nacht mit Elise im Bett zu liegen?«
Duncan war bewusst, dass er auf die Probe gestellt wurde. Er hielt dem Blick des Richters mehrere Sekunden stand, dann kam die ausdruckslose Gegenfrage: »Was gibt’s da zu entscheiden?«
Der Richter lachte. »Genau meine Meinung.« Er hob die offenen Hände. »In den Augen vieler Menschen bin ich ein bemitleidenswerter liebestoller Tölpel. Ich habe mich in sie verliebt, als ich sie das erste Mal sah, und ich bin es immer noch.«
Duncan streckte die Beine aus und studierte seine Schuhspitzen. »Das glaube ich Ihnen.« Er wartete ein paar Sekunden, bevor er sagte: »Dagegen glaube ich Ihnen nicht, dass Sie ausschließlich im Gerichtssaal mit Meyer Napoli zu tun hatten.« Er beendete das Studium seiner Schuhe und sah wieder auf. »Das war gelogen, Richter.«
Duncan gewann das Wettstarren. Die anfängliche Provokation im glühenden Blick des Richters verglomm. Schließlich seufzte er resigniert. »Sie sind gut, Detective.«
»Danke, aber ich brauche keine Komplimente. Ich brauche eine Erklärung, warum Sie gelogen haben.«
Er holte tief Luft und atmete langsam wieder aus. »Damit Elise nie erfährt, dass ich Napoli beauftragt hatte, sie zu beschatten.«
Duncan hatte fast angenommen, dass es um so etwas ging. »Und warum haben Sie sie beschatten lassen?«
»Ich bin nicht stolz darauf.«
»Danach habe ich nicht gefragt.«
»Ich kann nicht glauben, dass ich mich dazu hinreißen ließ, jemanden zu beauftragen, der so …«
»Skrupellos und schmierig ist.« Duncan verlor allmählich die Geduld, weil er immer noch keine Antwort auf seine Frage bekommen hatte. »Napoli ist bestimmt nicht für seinen untadeligen Charakter bekannt, aber Sie haben ihn trotzdem beauftragt. Sie haben ihn beauftragt, Ihre Frau zu beschatten. Warum?«
»Auch das ist ein Klischee. Aus dem ältesten Grund der Welt.« Er sah Duncan traurig an.
»Sie hatte eine Affäre.«
Das verletzliche Lächeln passte gar nicht zu dem Mann, als den Duncan den Richter kannte, aber er nahm an, dass ein gehörnter Ehemann zu den bedauernswertesten Wesen überhaupt gehörte. »Ich hatte einen Verdacht«, erwiderte er. »Aber ehe ich Ihnen mehr darüber erzähle, sollen Sie wissen, dass das Monate her ist. Letztes Jahr.«
»Okay.«
»Es ist vorbei, und das schon eine geraume Weile«, setzte er nach.
»Okay.«
Zufrieden, dass er diesen wesentlichen Punkt klargestellt hatte, sagte der Richter: »Monatelang versuchte ich die Anzeichen zu ignorieren.«
»Sie hatte jede Nacht Migräne?«
Er lachte kurz auf. »O nein. Selbst als mein Verdacht am stärksten war, war Elise so leidenschaftlich im Bett wie immer. Unser sexueller Appetit aufeinander blieb unersättlich.«
Duncan versuchte möglichst ungerührt zu blicken, aber selbst wenn ihm das misslungen wäre, wäre es dem Richter nicht aufgefallen. Er war in seine Erinnerungen vertieft.
»Es waren andere Anzeichen«, erzählte er. »Klassische Anzeichen. Telefonate, bei denen sich der Anrufer angeblich verwählt hatte. Sie kam zu spät zum Essen, ohne ihre Verspätung erklären zu können. Sie verschwand über Stunden.«
»Für mich hört sich das nach einer Affäre an.« Duncan genoss es auf perverse Weise, Cato Lairds selbstsichere Einschätzung des sexuellen Appetits, den seine Frau auf ihn hatte, in Zweifel zu ziehen.
»Das dachte ich auch. Es wurde so schlimm, dass die Vorstellung, sie könne mit einem anderen im Bett liegen, meine Gedanken
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