Warnschuss: Thriller (German Edition)
Dunkelheit auf der verlassenen Straße, beinahe wie die Stroboskopscheinwerfer, die bei ihrem letzten Treffen mit Savich über ihr pulsiert hatten.
Sie öffnete die Fahrertür, warf die Handtasche auf den Beifahrersitz und rutschte hinter das Lenkrad. Sobald sie die Tür zugezogen hatte, drückte sie den Knopf für die Zentralverriegelung, dann startete sie den Wagen und fuhr los.
Das optimale Szenario: Cato war noch im Club und hatte sie, wie angekündigt, ungestört schlafen lassen. Letzten Samstag hatte er bis in die frühen Morgenstunden Karten gespielt. Vielleicht hatte er es heute Abend wieder getan. Hoffentlich .
Ein etwas beunruhigenderes Szenario: Er war noch im Club, hatte aber zu Hause angerufen, um sich nach ihr zu erkundigen. In diesem Fall konnte sie behaupten, dass sie zwei Schlaftabletten genommen hatte. Da die Tabletten stärker waren als gedacht, hatte sie seine Anrufe verschlafen.
Das schlimmste Szenario: Cato war zu Hause und erwartete wütend ihre Rückkehr.
Dann konnte sie ihre Abwesenheit immer noch damit erklären, dass sie trotz der Tablette keinen Schlaf gefunden hatte und ein wenig in der Gegend herumgefahren war. Das war zwar eine lahme, aber wenigstens glaubhafte Ausrede.
Aber wie sollte sie vertuschen, was sie mit Duncan getrieben hatte? Er war nicht sanft gewesen. Sie auch nicht.
»Ich glaube nicht, dass wir uns aussuchen können, in wen wir uns verlieben. Oder?«
Er hatte ihre Frage nicht beantwortet. Das war nicht nötig gewesen. Seine Miene hatte ihr verraten, was sie wissen musste. Was sie längst wusste.
Seine Leidenschaft hatte sich, als er ihr erst freien Lauf gelassen hatte, in einer ungesteuerten Explosion entladen. Und sie hatte Spuren hinterlassen. Wenn sie keine Gelegenheit bekam, sich herzurichten, würde Cato mit Sicherheit ihr zerzaustes Haar, den verknitterten Rock und die wund geküssten Stellen um ihre Lippen bemerken.
Sie warf einen Blick in den Spiegel, um nachzuprüfen, ob die aufgerauten Stellen so deutlich zu sehen waren, wie es sich anfühlte.
Vom Rücksitz grinste ihr ein Gesicht entgegen.
Sie schrie vor Angst und Schreck auf und stemmte automatisch den Fuß auf die Bremse.
»Mrs Laird. Wir sind uns nie wirklich begegnet. Gestatten Sie, dass ich mich vorstelle.« Mit großer Geste zückte der Mann eine Visitenkarte und streckte sie ihr zwischen Zeige- und Mittelfinger hin. »Meyer Napoli.«
Nachdem er Elise allein gelassen hatte, war Duncan lange ziellos durch die Gegend gefahren. Was er zu finden hoffte, hätte er nicht sagen können. Vielleicht Erlösung.
Aber die würde er auf den Straßen der Stadt nicht finden, genauso wenig wie in einer Bar, im Fitnessstudio oder im Kino. Schließlich landete er in den Barracks.
Nur ein anderer Detective war noch in der VCU. Als Duncan die Tür öffnete, machte der Kollege einen Witz über die vielen Überstunden, die sie schieben mussten. Duncan erwiderte etwas Passendes, ging dann weiter in sein Büro und schloss die Tür, um anzuzeigen, dass er nicht reden wollte.
Im Hinterkopf hoffte er wahrscheinlich, dass er seine private Begegnung mit Elise rechtfertigen könnte, wenn er
weiter an dem Fall arbeitete – und zwar indem er tatsächlich an seinem Schreibtisch saß und Akten studierte.
Auch nachdem er nach all seinen fadenscheinigen Spekulationen um Savich begriffen hatte, wer tatsächlich in dem Haus auf ihn wartete, konnte er glaubhaft versichern, dass er einzig und allein geblieben war, weil er auf die Wahrheit, ein Geständnis oder neue Beweise gehofft hatte. Irgendwas.
Falls er sich das einreden konnte, könnte er sich vielleicht sogar verzeihen, was danach passiert war. Stundenlang versuchte er es. Schließlich gab er es auf, sich etwas vorspielen zu wollen. Er war in dem Haus geblieben, weil er mit ihr zusammen sein wollte, nicht weil er einen Durchbruch bei den Ermittlungen erhofft hatte. Was sie auf dem staubigen Sofa getrieben hatten, ließ sich beim besten Willen nicht als Polizeiarbeit bezeichnen.
Das Eingeständnis wirkte zu einem gewissen Grad befreiend. Die Schuldgefühle peinigten ihn trotzdem.
Wenn er sich schon in seiner Schuld suhlen musste, wollte er das lieber gemütlich bei sich zu Hause tun. Er verließ das Büro und fuhr die wenigen Blocks zu seiner Stadtwohnung. Inzwischen war es eher früher Morgen als späte Nacht, trotzdem suchte er Zuflucht an seinem Klavier, sobald er das Haus betreten hatte.
Er spielte Rock ’n’ Roll, Country und Klassik, aber jedes Stück
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