WARP 1 - Der Quantenzauberer (German Edition)
verspiegelten Sonnenbrille des Chefmuskelmanns, sie ziehe sich jetzt für zehn Minuten in die Einsatzzentrale zurück. Das reicht hoffentlich aus, um rauszukriegen, was zum Henker hier eigentlich los ist .
Zu ihrer Überraschung stellte sie fest, dass die Ereignisse dieses Abends sie nicht groß aus der Bahn warfen. Sie war schon immer ziemlich stressresistent gewesen, aber diese Geschichte war etwas anderes. Hier lief irgendwas Science-Fiction-Mäßiges. Anscheinend war die Welt nicht so, wie sie es sich vorgestellt hatte.
Konzentrier dich , ermahnte sie sich, und lies die Akte .
Oranges Ordner war schon seit ihrer Ankunft am Bedford Square im Verzeichnis des internen Netzwerks gewesen, aber bisher hatte sie nie Zugang dazu gehabt. Chevie verspürte ein nervöses Kribbeln, als sie mit dem Cursor auf das Icon fuhr.
Was werde ich darin finden? Wenn es Zeitreisen wirklich gibt, warum dann nicht auch Aliens oder Vampire? Ich will auf keinen Fall eins von diesen FBI-Mädels werden, die irgendwelche Missgeburten jagen. Die hinken hinterher nämlich immer .
Als Chevie den Ordner öffnete, stellte sie überrascht fest, dass sich darin über zweihundert Dateien befanden, alphabetisch geordnet. Sie änderte die Anzeige, sodass sie nach Datum sortiert waren, und klickte dann eine mit dem Namen »Projekt Orange – Überblick« an. Dann begann sie zu lesen, wobei sie sich zwang, langsam zu lesen und wirklich jedes Wort aufzunehmen. Nach zwanzig Minuten absoluter Konzentration lehnte sie sich in ihrem Bürostuhl zurück und hielt sich mit einer Hand den Mund zu, damit ihr kein hysterisches Kichern entfuhr.
Das ist doch wohl ein Witz, oder? , dachte sie. Dann nahm sie die Hand vom Mund und brüllte Richtung Tür: »Das ist doch wohl ein Witz, oder?«
Orange war unten in dem kleinen Krankenzimmer. Er hatte seinen Vater aus der Kapsel herausgezerrt, ihn auf eine Liege verfrachtet und seinen Leichnam bis auf den Kopf mit einem weißen Laken bedeckt. Als Chevie hereinkam, wusch er gerade die Stirn des alten Mannes sanft mit einem Schwamm.
»Was glauben Sie, warum der Junge Ihren Vater getötet hat?«
»Ich weiß es nicht. Auf dem Video vom Timekey ist nicht viel zu erkennen. Der Junge taucht plötzlich wie aus dem Nichts auf. Wahrscheinlich ist er ein Dieb.«
»Ein Dieb aus der Vergangenheit. Was machen wir mit ihm?«
Orange drückte den Schwamm aus, bis seine Knöchel weiß wurden. »Auch das weiß ich nicht. Bisher hat noch nie jemand einen Menschen aus der Vergangenheit mitgebracht. Wir könnten ihn erschießen – ich habe eine Waffe.«
»Tolle Idee. Ist alles okay mit Ihnen, Orange? Vielleicht sollte ich die Leitung der Aktion übernehmen?«
Orange lächelte ironisch, und Chevie dachte nicht zum ersten Mal, dass ihr Partner zwar etliche verschiedene Arten von Lächeln hatte, aber keines davon sehr glücklich wirkte.
»Das wird nicht nötig sein, Agent Savano. Mir geht es bestens.«
»Aber das da ist Ihr Vater.«
»Nur dem Namen nach. Ich habe diesen Mann schon sehr lange nicht mehr gesehen. Meine Familie ist das FBI.«
»Puh. Ich glaube, das ist das Traurigste, was ich je gehört habe.«
Wieder ein Lächeln, diesmal wehmütig. »Da könnten Sie recht haben.«
»Soll ich Sie weiter Agent Orange nennen?«
»Nein. Nennen Sie mich ruhig Professor Smart. Oder einfach Felix.«
»Professor Felix Smart. Sohn des vermissten schottischen Quantenphysikers Charles Smart. Sie haben dieselbe Nase.«
»Aber zum Glück nicht dasselbe Blut. Bei gelbem Blut schlagen die Sicherheitsscanner am Flughafen immer Alarm.«
Chevie ignorierte seinen schwachen Versuch, komisch zu sein. »Was ist mit Professor Smart senior passiert? So weit bin ich in den Unterlagen nicht gekommen.«
Felix Smart betrachtete das Gesicht seines Vaters, während er sprach. »Er fand heraus, dass Einsteins Quantentheorie im Wesentlichen stimmte und dass er ein transversibles Raum-Zeit-Wurmloch stabilisieren konnte, indem er exotische Materie mit negativer Energiedichte verwendete.«
»Ich dachte mir schon, dass irgendwann jemand daraufkommen würde«, sagte Chevie, ohne eine Miene zu verziehen. Doch dann hätte sie am liebsten die WARP-Kapsel aktiviert, um fünf Sekunden in der Zeit zurückzugehen. Wie gefühllos, einen Witz zu reißen, während der Vater ihres Chefs tot und mutiert dort vor ihnen lag. »Können wir vielleicht anderswo darüber reden?«
»Natürlich.« Felix Smart ging mit ihr hinaus in den Flur und begann zu erzählen. »Die
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