Warrior Cats - Die Macht der Drei 05 - Lange Schatten
anders. Blattsee und er hatten ihre Aufgaben vorerst erledigt, nichts sprach dagegen, jetzt Schlaf nachzuholen. Aber trotz seiner Müdigkeit juckten seine Pfoten und seine Gedanken drehten sich im Kreis. Er wusste, dass sie ihn wach halten würden.
»Danke«, antwortete er, »aber ich würde lieber eine Weile rausgehen.«
»Wie du willst.« Blattsee hörte sich etwas überrascht an. »Sei aber bitte vorsichtig.«
»Bin ich.« Häherpfote wünschte sich, sie könnte endlich damit aufhören, ihn zu bemuttern. Dafür hatte er Eichhornschweif, Blattsee war nur seine Mentorin. Er lief los und trabte durch den Tunnel nach draußen, wo ihm Weißflug und Birkenfall mit Polsterbündeln entgegenkamen, dann schlug er den Weg zum See ein.
Häherpfote war durch das letzte Dickicht geschlüpft und hielt nun oben auf dem Kamm über dem See inne. Er hörte die Wellen sanft ans Ufer schlagen und Kieselsteine leise rollen. Ausgiebig schnuppernd fand er seinen Weg zu der Kuhle unter den Baumwurzeln, wo er seinen Stock vergraben hatte.
Als er seine Pfoten an die Kratzmarken legte, hörte er jene Krieger aus längst vergangenen Zeiten um ihn herum wispern. Er versuchte, sie zu verstehen, aber genau wie sonst ließen sie ihn einfach nicht nah genug an sich heran.
»Stein, hast du keine Botschaft für mich?«, miaute er laut.
Alles, was passiert war, drehte sich in seinem Kopf: das mysteriöse Auftauchen von Sol und das falsche Zeichen, das zu einem echten geworden war und Sol aus dem SchattenClan vertrieben hatte. Die schreckliche Krankheit und Feuerstern, wie er die kranken Katzen aus dem Felsenkessel führte … Häherpfote fühlte sich wie ein Blatt, das vom Wind herumgewirbelt wurde.
Alles entgleitet mir, wie Beute, die zu schnell rennt. Angeblich bin ich mächtig, dabei habe ich gar nichts unter Kontrolle.
»Haben die Clans das schon immer so gemacht?«, fragte er leise. »Eine Schlacht nach der anderen geschlagen? Und manche Schlachten kann keine Katze gewinnen. Ich frage mich, ob es eine Krankheit war, die die ersten Katzen vom See vertrieben hat.«
Noch einmal betastete er die Kerben mit den Pfoten, die Zeugnisse der Katzen, die siegreich aus ihrer Prüfung in den Tunneln hervorgegangen waren, und jener, die niemals herausgefunden hatten. Die flüsternden Stimmen wehten um ihn herum wie sanfte Windböen, aber Häherpfote konnte ihre Bedeutung immer noch nicht ausmachen.
»Wozu soll das gut sein, wenn ich euch nicht verstehen kann?«, protestierte er. »Bitte, sprecht etwas lauter. Sagt mir, was gegen die Krankheit hilft oder was ich Löwenglut sagen soll, damit er die Katzenminze holt.«
Aber das leise Flüstern blieb, wie es war. Seufzend legte sich Häherpfote hin, mit dem Kinn auf dem Stock, und schloss die Augen.
Feuchtigkeit drang durch Häherpfotes Fell und weckte ihn. Mit steifen, verspannten Muskeln hob er den Kopf und sah sich um. Er lag in einer unterirdischen Höhle, in die durch die Decke hoch über ihm ein wenig Tageslicht sickerte. Ein paar Schwanzlängen entfernt rauschte der Fluss an ihm vorbei.
Häherpfote erhob sich schwankend auf die Pfoten. Er rechnete damit, Stein zu begegnen, aber das Sims, auf dem die greise Katze normalerweise hockte, war leer, und auch sonst gab es nirgendwo in der Höhle eine Spur von ihr.
Hinter sich hörte Häherpfote leichte Pfotenschritte. Er wirbelte herum und sah einen weiß-goldenen Kater im Eingang eines Tunnels stehen. Seine grünen Augen blickten gequält und traurig, die Erinnerung an die Regenflut in den Tunneln, in der er fast ertrunken wäre, schien ihn nicht loszulassen.
»Fallendes Blatt!«, rief Häherpfote aus.
»Ich dachte, du würdest nie mehr wiederkommen.« Das Zittern in der Stimme der Geisterkatze verriet seine qualvolle Einsamkeit. »Wirst du diesmal bei mir bleiben?«
Häherpfote tat der Kater unendlich leid. Hier ganz allein zahllose Blattwechsel lang gefangen zu sitzen, konnte er sich nicht vorstellen. Fallendes Blatt, die Geisterkatze, hatte ihm bei ihrer letzten Begegnung das Leben gerettet, auch das seiner Wurfgefährten und der WindClan-Katzen, als sie in den ansteigenden Fluten nach den verirrten Jungen suchten.
»Was ist mit deinen Clan-Gefährten geschehen?«, fragte Häherpfote. »Warum haben sie den See verlassen?«
Fallendes Blatt senkte den Blick auf seine Pfoten. »Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass sie weg sind. Irgendwann kamen keine Scharfkrallen mehr in die Tunnels und keine Geräusche mehr vom Moor, nur noch der Wind.
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