Warte auf das letzte Jahr
schwächlich, machtlos. Obwohl es unmöglich schien, war es so, und trotzdem besaß er noch immer die Macht. Im rechtlichen Sinne hatte er seine Machtposition erhalten, war niemandem unterworfen – zumindest niemandem hier auf der Erde. Und Eric erkannte plötzlich, daß Molinari nicht beabsichtigte abzutreten – trotz seiner schlechten psychophysischen Ve r fassung. Vielleicht lag es an dem Anblick seiner verfallenen Gestalt, doch Eric zweifelte nicht daran, daß sich Molinari bewußt in dieser Art und Weise einer Gruppe weniger ei n flußreicher Persönlichkeiten stellte. Der Maulwurf blieb, was er war, verweigerte jede Pose, lehnte es ab, den kämpf e rischen Helden zu spielen. Entweder war er schon zu weit gegangen, um sich darüber Sorgen zu machen, dachte Eric, oder es standen zuviel und wichtigere Dinge auf dem Spiel, als daß er seine nachlassenden Kräfte damit verschwenden wollte, andere Menschen zu beeindrucken – vor allem, wenn es Menschen seines eigenen Planeten waren. Für den Mau l wurf spielte das keine Rolle mehr.
So oder so.
Virgil Ackerman flüsterte Eric zu: »Sie sind Arzt. Also fragen Sie ihn, ob er ärztliche Hilfe benötigt. « Er schien ebenfalls besorgt zu sein.
Eric sah Virgil an. Deshalb mußte ich mitkommen, dachte er. Es war von vornherein beabsichtigt, daß ich Molinari hier treffen sollte, und alles andere, die Ackermans, die uns begleitet haben – Tarnung. Um die Sternmenschen zu tä u schen. Jetzt verstehe ich; ich verstehe, um was es geht und was man von mir verlangt. Ich weiß, wen ich behandeln muß; das also ist der Mann, dem in Zukunft mein Geschick und mein Können zur Verfügung stehen werden – zur Ve r fügung stehen müssen.
Er beugte sich nach vorn und begann unsicher: »Herr G e neralsekretär …« Seine Stimme schwankte. Aber es war keine Ehrfurcht, die ihn verstummen ließ – der zurückg e lehnt dasitzende Mann löste dieses Gefühl sicherlich nicht in ihm aus –, sondern Unwissenheit; er wußte einfach nicht, was er zu einem Mann sagen sollte, der ein so wichtiges Amt innehatte. »Ich bin Allgemeinmediziner «, fuhr er schließlich fort und erkannte erst danach, wie nichtssagend diese Bemerkung war. »Außerdem arbeite ich als Transplantchirurg. « Er schwieg, aber er erhielt keine An t wort. »Während Sie sich hier im 35er Wash …«
Mit einem Mal hob Molinari den Kopf; seine Augen wu r den klar. Er musterte Eric Sweetscent, und plötzlich, ganz unerwartet, erklang seine vertraute, leise Stimme. »Zum Teufel damit, Doktor. Mir geht es gut. « Er lächelte; es war ein kurzes, aber natürliches, menschliches Lächeln, das Ve r ständnis für Erics ungeschickte, angestrengte Bemühungen verriet. »Amüsieren Sie sich! Genießen Sie das Leben im Stil von 1935! Galt damals nicht die Prohibition? Nein, ich glaube, die lag schon einige Jahre zurück. Wie wär ’ s mit einer Pepsi-Cola? «
»Ich wollte gerade einen Himbeer-Shake probieren «, e r klärte Eric, der allmählich seine Fassung zurückgewann; sein Herzschlag normalisierte sich langsam.
»Der alte Virgil hat sich ja hier eine hübsche Anlage e r richten lassen «, fuhr Molinari im jovialen Tonfall fort. »Ich habe die Erlaubnis bekommen, mich ein wenig umzusehen. An sich sollte ich das ganze dösige Babyland verstaatlichen; zuviel privates Kapital ist hier investiert worden, das besser unseren Kriegsvorbereitungen zugute kommen sollte. « Er sprach nur halb im Scherz; offenbar bedrückte ihn die U m gebung. Molinari führte, wie allen Bürgern der Erde bekannt war, ein asketisches Leben, obwohl er sich hin und wieder genußvollen Ausschweifungen hingab, die jedoch kaum b e kannt waren. In der letzten Zeit allerdings, hieß es, wurden seine Saufgelage immer seltener.
»Dieser Bursche dort ist Dr. Eric Sweetscent «, sagte Vi r gil. »Der bestverdienende Transplantchirurg der Erde, wie Sie vermutlich schon den Akten des Oberkommandos en t nommen haben; in den letzten zehn Jahren hat er mir fün f undzwanzig – oder waren es sechsundzwanzig? – verschi e dene Kunstorgane eingepflanzt, für die ich teures Geld b e zahlt habe. Jeden Monat streicht er einen fetten Batzen ein. Obwohl seine geliebte Frau noch mehr verdient als er. « Er grinste Eric an, und sein knochiges, langes Gesicht strahlte väterliche Wärme aus.
Nach einem Moment des Schweigens wandte sich Eric an Molinari und raunte ihm zu: »Ich warte nur auf den Tag, an dem ich Virgil ein neues Gehirn transplantieren kann. « Der
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