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Warte auf das letzte Jahr

Warte auf das letzte Jahr

Titel: Warte auf das letzte Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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mehr h a ben, Virgil Ackerman irgendwelche Transplantorgane ei n zupflanzen, denn Gino Molinari am Leben zu erhalten wird Sie vierundzwanzig Stunden am Tag beschäftigen. « Teaga r den wirkte jetzt aufgeregt; in der Dunkelheit der Kopterk a bine klang seine Stimme schneidend. »Für mich ist es z u viel, Sweetscent, Molinari wird Sie voll in Anspruch ne h men, Ihnen die Ohren vollschwatzen, seine Reden an Ihnen ausprobieren, Sie mit Fragen über alle möglichen Themen durchlöchern und sich nach Ihrer Meinung erkundigen – von der Schwangerschaftsverhütung bis zur besten Zubere i tungsart eines Pilzgerichtes – und Gott allein weiß, was sonst noch alles. Für einen Diktator – und Sie wissen, daß er das ist, auch wenn wir diese Bezeichnung nicht gern benu t zen – benimmt er sich verdammt merkwürdig. Aber vor a l lem ist er vermutlich der größte lebende politische Stratege; wie anders hätte er auch bis zum Generalsekretär der UNO aufsteigen können? Es kostete ihn zwanzig Jahre, und die ganze Zeit über mußte er kämpfen. Er verdrängte jeden pol i tischen Gegner, der sich ihm in den Weg stellte, gleichgü l tig, aus welchem Land er stammte. Dann hat er sich mit dem Lilistern zusammengetan. Außenpolitik nennt man das. Und in der Außenpolitik versagte der Meisterstratege, denn es war für ihn ein fremdes Gebiet, über das er nichts wußte. Molinari hat sein ganzes Leben damit verbracht, zu lernen, wie man Menschen ins Kreuz tritt, und bei Freneksy ist das nicht möglich. Er konnte mit Freneksy genausowenig anfa n gen wie Sie oder ich – wahrscheinlich noch weniger. «
    »Ich verstehe «, nickte Eric.
    »Aber Molinari machte jedenfalls weiter. Er bluffte. Er unterschrieb den Friedensvertrag, der uns in diesen Krieg hineinzog. Und das unterscheidet Molinari von all den and e ren fetten, prahlerischen Diktatoren der Vergangenheit: Er nahm die Schuld auf sich. Er hat keinen Außenminister g e feuert oder einen seiner politischen Berater hinausgeworfen. Er war dafür verantwortlich, und er weiß das. Und es tötet ihn, Stück für Stück, tagein, tagaus, von innen heraus. Er liebt die Erde. Er liebt die Menschen, alle, die gewaschenen und ungewaschenen; er liebt den verkommenen Haufen se i ner schmarotzenden Verwandten. Er läßt Menschen erschi e ßen und einsperren, aber es bereitet ihm keine Freude. Mol i nari ist ein komplexer Mann, Doktor. So komplex, daß …«
    »Eine Mischung aus Lincoln und Mussolini «, unterbrach Dorf trocken.
    »Jedem, der ihm begegnet, erscheint er als anderer Mensch «, fuhr Teagarden fort. »Gott, er hat so schäbige, so verflucht gemeine Dinge getan, daß Ihnen die Haare zu Be r ge stehen würden, wüßten Sie davon. Er mußte es tun. Ma n ches davon wird nie an die Öffentlichkeit dringen; selbst seine politischen Feinde wagen es nicht. Und es quält ihn, daß er sie getan hat. Haben Sie jemals jemanden kenneng e lernt, der wirklich die Verantwortung und Schuld und Sühne auf sich genommen hat? Vielleicht Sie? Oder Ihre Frau? «
    »Wahrscheinlich nicht «, gab Eric zu.
    »Falls Sie oder ich wirklich jemals die Verantwortung für das übernehmen würden, was wir in unserem Leben getan haben – es würde uns umbringen oder uns den Verstand rauben. Nehmen Sie die Tiere, die wir auf der Straße übe r fahren oder die wir verzehrt haben. Als Kind mußte ich j e den Monat Ratten vergiften. Haben Sie schon einmal den Todeskampf eines vergifteten Tieres beobachtet? Oder von Dutzenden Tieren, und das Monat für Monat? Ich fühle es nicht. Die Schuld. Die Last. Zum Glück – denn andernfalls könnte ich nicht mehr weiterleben. Und so ergeht es allen Menschen. Bis auf den Maulwurf. Wie man ihn nennt. « Nachdenklich fügte Teagarden hinzu: »Lincoln und Muss o lini … Ich dachte mehr an den Einen, der vor über zweita u send Jahren lebte. «
    »Das ist das erste Mal «, erklärte Eric, »daß ich höre, wie jemand Gino Molinari mit Jesus Christus vergleicht. «
    »Vielleicht «, erwiderte Teagarden, »liegt es daran, daß Sie zum erstenmal mit einem Menschen sprechen, der vie r undzwanzig Stunden am Tag mit dem Maulwurf zusammen ist. «
    »Erwähnen Sie nur nicht Mary Reineke gegenüber Ihren Vergleich «, riet Dorf. »Sie wird Ihnen sagen, daß er ein B a stard ist. Ein Schwein im Bett und am Tisch, ein geiler Mann mittleren Alters, der nur Bumsen im Kopf hat und an sich in den Knast gehört. Aber sie nimmt es ihm nicht übel … denn sie besitzt ein gutes Herz. « Dorf lachte

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