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Warte auf das letzte Jahr

Warte auf das letzte Jahr

Titel: Warte auf das letzte Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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hatte.
    »Es war vor einigen Tagen.« Ihre herausfordernde Stimme schmerzte in seinen Ohren. »Ich war ganz allein hier im Konap. Ich war niedergeschlagen – du warst damit beschäftigt, irgendeine Scheißarbeit für Virgil zu erledigen –, und da habe ich ein Band in den Projektor gelegt. Ich habe es richtig gemacht und bin genau nach Vorschrift vorgegangen. Aber dieses Ding hat irgend etwas verpatzt. Und das Band gelöscht.«
    Düster knurrte der Maulwurf: »Sie hätten sagen sollen, daß es nicht so wichtig sei.«
    Natürlich, er hatte es damals gewußt, und er wußte es jetzt. Aber mit einer fremden, heiseren Stimme hatte er gefragt: »Welches Band war es?«
    »Ich kann mich nicht mehr daran erinnern.«
    Gegen seinen Willen schrie er. »Zum Teufel, welches Band war es?« Er stürzte zum Regal mit den Bändern, griff nach der ersten Cassette, öffnete sie und legte sie in das Abspielgerät.
    »Ich wußte doch«, sagte Kathy rauh, während sie ihn mit wachsender Verachtung ansah, »daß deine … deine Bänder dir wichtiger sind, als ich es jemals war.«
    »Sage mir, welches Band es war«, flehte er. »Bitte!«
    »Nein, sie hat es nicht getan«, murmelte der Maulwurf nachdenklich. »Das also ist es. Sie mußten jedes Band abspielen, um es herauszufinden. Tagelang waren Sie damit beschäftigt. Eine raffinierte Frau; verdammt raffiniert.«
    »Nein«, stieß Kathy mit einer leisen, verbitterten, fast unhörbaren Stimme hervor. Haß prägte nun ihr Gesicht. »Ich bin froh, daß ich es getan habe. Weißt du, was ich tun werde? Ich werde alle deine Bänder ruinieren.«
    Betäubt starrte er sie an.
    »Du hast es verdient«, fuhr Kathy fort, »weil du mir deine Liebe vorenthalten hast. Hier fühlst du dich wohl, kriechst wie ein Tier herum, wie ein panikerfülltes Tier. Schau dich doch nur an! Verachtenswert – wie du dahockst und zitterst und fast in Tränen ausbrichst. Nur weil jemand eines deiner UNBESCHREIBLICH wertvollen Bänder ruiniert hat.«
    »Aber«, murmelte er, »es ist mein Hobby. Von Kindheit an.«
    »Wie ein kleiner Junge, der an seinem Zipfel herumspielt.«
    »Sie – sie sind unersetzlich. Einige davon gibt es sonst nirgendwo auf der Welt. Das Band mit der Jack-Paar-Show …«
    »Na und? Weißt du was, Eric? Weißt du eigentlich, warum es dir so gefällt, dir die Männer auf der Leinwand anzusehen?«
    Der Maulwurf räusperte sich; sein breites, fleischiges Gesicht hatte sich gerötet.
    »Weil du«, erklärte Kathy, »eine Tunte bist.«
    »Oh«, murmelte der Maulwurf und blinzelte.
    »Du bist ein verkappter Homosexueller. Ich bezweifle zwar, daß dir das bewußt ist, aber es ist so. Schau mich an, schau her. Hier bin ich, eine attraktive Frau, die dir zur Verfügung steht, wann immer du willst.«
    Trocken fügte der Maulwurf hinzu: »Und dazu noch kostenlos.«
    »Und trotzdem treibst du dich hier bei deinen Bändern herum, anstatt mich im Schlafzimmer zu bumsen. Ich wünsche, Eric, und Gott stehe mir bei, ich wünsche, daß ich eines von den Bändern gelöscht habe, auf denen …« Sie wandte sich ab. »Gute Nacht. Und viel Spaß noch.« Ihre Stimme war tatsächlich – obwohl es unglaublich erschien – wieder beherrscht, fast gelassen.
    Er sprang auf und stürzte ihr nach. Griff nach ihr, als sie weich und weiß und nackt durch den Korridor zurück ins Schlafzimmer ging und ihm den Rücken zuwandte. Er packte sie, packte sie fest und grub seine Finger in das weiche Fleisch ihres Armes. Wirbelte sie herum. Blinzelnd, erschreckt sah sie ihn an.
    »Ich werde dich …« Er verstummte. Ich werde dich umbringen! hatte er sagen wollen. Aber in den Tiefen seiner Gedanken, unter der Raserei seines hysterischen Anfalls, flüsterte ihm eine kalte, rationale Stimme voll frostiger Gelassenheit zu: Sage es nicht. Denn wenn du es tust, dann hat sie dich im Griff. Sie wird es nie vergessen. Solange du lebst, wird sie dich damit quälen. Sie ist eine Frau, die man nicht verletzen darf, denn sie weiß ebenfalls, wie man verletzt. Und sie weiß es tausendmal besser. Ja, darin liegt ihre Weisheit begründet. Sie kann dir weh tun. Und sie kann noch mehr.
    »Laß … mich … los.« Ihre Augen blitzten.
    Er gehorchte.
    Sie massierte ihren Arm und zischte dann: »Ich verlange, daß bis morgen abend diese Bänder aus unserem Apartment verschwunden sind. Andernfalls sind wir geschiedene Leute, Eric.«
    »In Ordnung«, nickte er.
    »Und jetzt« fuhr Kathy fort, »werde ich dir sagen, was ich außerdem verlange. Ich möchte,

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