Warte auf das letzte Jahr
Tür auf. »Virgil«, brüllte er mit einer überraschend kräftigen Stimme. »Es wird Zeit, daß die Party steigt.« Über die Schulter hinweg knurrte er: »Wußten Sie eigentlich, Doktor, daß hier eine Party stattfindet? Ich wette, der Alte hat Ihnen gesagt, daß eine Konferenz zur Lösung der militärischen, politischen und ökonomischen Probleme der Erde geplant ist. Und das alles in einer halben Stunde.« Er grinste und entblößte seine großen, weißen Zähne.
»Ehrlich gesagt«, erwiderte Eric, »bin ich froh, daß wir statt dessen eine Party feiern.« Die Zusammenkunft mit Molinari war für ihn genauso schwierig gewesen wie für den Generalsekretär. Und dennoch – er war überzeugt, daß Virgil Ackerman mit dem Verlauf ihres Gesprächs nicht zufrieden sein würde. Virgil wollte dem Maulwurf helfen; ihm ging es darum, ihn von seiner Krankheit zu befreien, und das aus einem guten Grund.
Molinaris Tod würde gleichzeitig auch Virgils Ende bedeuten und ihm die Kontrolle über TF&D nehmen. Zweifellos war die Verwaltung der irdischen Industriekomplexe für Freneksy von größter Wichtigkeit, und wahrscheinlich standen seine Agenten schon bereit, die Firma zu übernehmen.
Virgil Ackerman war ein gewitzter Geschäftsmann.
»Wie«, fragte Molinari unvermittelt, »werden Sie eigentlich von dem alten Knacker bezahlt?«
»Oh, s-sehr gut«, erklärte Eric überrascht.
Molinari musterte ihn. »Er hat mir von Ihnen erzählt. Vor unserer Zusammenkunft. Schwärmte davon, wie gut Sie sind. Daß er es Ihnen zu verdanken hat, noch am Leben zu sein, obwohl er an sich schon längst unter der Erde liegen müßte, und das ganze Zeug.« Sie lächelten beide. »Was möchten Sie trinken, Doktor? Was mich betrifft, ich mag alles.«
»Bourbon«, sagte Eric.
Die Tür öffnete sich. Ein Mann kam herein. Er besaß ein grimmiges Gesicht, und Eric vermutete, daß es sich bei ihm um einen der Sicherheitsbeamten des Maulwurfs handelte.
»Das ist Tom Johannson«, wandte sich der Maulwurf an Eric. »Er sorgt für mein Wohlergehen und ist in gewisser Hinsicht mein Dr. Eric Sweetscent. Nur daß er dazu seine Pistole benutzt. Zeigen Sie dem Doktor Ihre Waffe, Tom; zeigen Sie ihm, daß Sie jeden zu jeder Zeit und aus jeder Entfernung umlegen können. Knallen Sie Virgil ab, wenn er hereinkommt, feuern Sie ihm direkt in sein armseliges Herz. Dann kann der Doktor ihm ein neues Herz einpflanzen. Wie lange werden Sie dafür brauchen, Doktor? Zehn oder fünfzehn Minuten?« Der Maulwurf lachte laut. Und dann drehte er sich zu Johannson herum. »Schließen Sie die Tür.«
Sein Leibwächter gehorchte; der Maulwurf blickte Eric Sweetscent offen ins Gesicht.
»Hören Sie Doktor. Ich möchte Ihnen eine Frage stellen. Angenommen, Sie setzen mir ein Transplantat ein, entfernen meinen alten Magen und tauschen ihn gegen einen neuen aus, und irgend etwas geht dabei schief. Wird es weh tun? Darum geht es mir. Ich meine, wären Sie dazu in der Lage?« Er musterte Erics Mienenspiel. »Sie verstehen mich, nicht wahr? Ja, Sie verstehen mich.« Hinter ihm, neben der geschlossenen Tür, stand der Leibwächter reglos da und verhinderte, daß jemand hereinkam und ihr Gespräch hörte. Was Molinari zu sagen hatte, war nur für Eric bestimmt.
»Warum?« fragte Eric nach einer Weile. Warum benutzte er nicht einfach Johannsons Laserpistole? Wenn es ihm darum ging …
»Ich weiß es nicht, wirklich nicht«, erklärte der Maulwurf. »Aus keinem bestimmten Grund. Möglicherweise wegen des Todes meiner Frau. Oder wegen der Verantwortung, die ich tragen muß … und die ich nicht so einfach abwälzen kann, wie viele Menschen meinen. Obwohl ich da anderer Ansicht bin; ich glaube, es gelingt mir. Aber sie verstehen nicht alle Faktoren dieser Situation.« Dann fügte er hinzu: »Und ich bin müde.«
»Es … wäre möglich«, sagte Eric aufrichtig.
»Und Sie könnten es tun?« Molinaris Augen funkelten, sahen ihn abschätzend an.
»Ja, ich könnte es tun.« Persönlich besaß er ein seltsames Verhältnis zum Selbstmord. Trotz seines Kodex, jener ethischen Verpflichtung, die jeder Mediziner eingegangen war, glaubte er – und dieser Glaube beruhte auf bestimmten Erfahrungen, die er selbst gemacht hatte –, daß ein Mensch das Recht besaß zu sterben, wenn er sterben wollte. Diese Überzeugung war keine Folge sorgfältiger rationaler Überlegung; er hatte sich nicht einmal bemüht, sie verstandesmäßig zu rechtfertigen. Ihm schien es einfach selbstverständlich zu
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