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Warte auf das letzte Jahr

Warte auf das letzte Jahr

Titel: Warte auf das letzte Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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mich nicht zum Lilistern, flehte sie lautlos. Laßt mich bitte auf der Erde bleiben, bei den Menschen, die ich kenne. Ich werde zu Eric zurückkehren; ich werde ihn bitten, mich wieder zu nehmen. »Hören Sie«, sagte sie laut, »ich mache mir keine Sorgen wegen Eric. Mir ist es gleich, was Sie mit ihm machen.« Es geht um mich, dachte sie. Deshalb habe ich Angst.
    »Wir wissen das, Kathy«, nickte Corning. »Wenn Sie die Angelegenheit nüchtern betrachten, kommt unser Ansinnen Ihren Wünschen sogar entgegen. Nebenbei …« Corning griff in seine Aktentasche und holte eine Handvoll Kapseln hervor; er legte eine auf den Küchentisch, und die Kapsel rollte davon und fiel zu Boden. »Ich will Sie nicht verletzen, Kathy, aber …« Er zuckte die Achseln. »Nun, die Droge ist suchterzeugend. Es genügt, sie einmal zu nehmen, und Sie haben es gestern abend getan. Chris Plout wird Ihnen keine mehr verkaufen.« Er hob die Kapsel mit dem JJ-180 auf, die zu Boden gefallen war, und reichte sie Kathy.
    »Es ist unmöglich«, murmelte sie. »Nicht nach einem einzigen Versuch. Ich habe vorher schon Dutzende verschiedener Drogen genommen und niemals …« Sie musterte ihn. »Sie Bastard«, stieß sie hervor. »Ich glaube Ihnen nicht, und selbst wenn es wahr wäre, kann ich mich entwöhnen lassen – es gibt Kliniken.«
    »Aber keine, die sich mit JJ-180 auskennen.« Corning warf die Kapsel wieder in seine Aktentasche und fügte ruhig hinzu: »Wir können Sie von Ihrer Sucht befreien; nicht hier, aber in einer Klinik in unserem Sonnensystem … vielleicht läßt sich das später arrangieren. Oder sie bleiben dabei, und wir versorgen Sie für den Rest Ihres Lebens damit. Das nicht lang sein wird.«
    »Selbst für eine Entziehungskur«, erklärte Kathy, »würde ich nicht zum Lilistern fliegen, sondern zu den Riegs. Es ist ihre Droge – Sie haben es selbst gesagt. Wenn sie sie entwickelt haben, müssen sie auch mehr als die Sternmenschen darüber wissen.« Sie drehte Corning den Rücken zu, trat an den Garderobenschrank und griff nach ihrem Mantel.
    »Ich gehe jetzt zur Arbeit. Auf Wiedersehen.«
    Sie öffnete die Haustür. Weder Corning noch der Graugekleidete machten Anstalten, sie aufzuhalten.
    Also muß es wahr sein, dachte sie. JJ-180 ist so suchterzeugend wie sie behauptet haben. Ich habe nicht die geringste Chance; sie wissen es, und ich weiß es. Ich muß entweder mit ihnen zusammenarbeiten oder versuchen, mich bis zu den Linien der Riegs durchzuschlagen. Doch selbst wenn mir das gelingt, wäre ich noch immer süchtig; ich hätte nichts gewonnen. Und die Riegs würden mich wahrscheinlich töten.
    »Nehmen Sie meine Karte, Kathy«, sagte Corning. Er ging ihr nach und reichte ihr das kleine weiße Viereck. »Wenn Sie merken, daß Sie die Droge brauchen, um jeden Preis brauchen …« Er schob die Karte in die Brusttasche ihres Mantels. »Dann kommen Sie zu mir. Wir werden Sie erwarten, meine Liebe, und wir werden dafür sorgen, daß Sie sie bekommen.« Nachdenklich schloß er: »Natürlich ist sie suchterzeugend, Kathy; deshalb haben wir auch dafür gesorgt, daß Sie sie nehmen.« Er lächelte sie an.
    Kathy warf die Tür hinter sich ins Schloß und stolperte auf den Fahrstuhl zu, betäubt, innerlich erstarrt, so daß sie nicht einmal Furcht empfand. Leere erfüllte sie, Vakuum, das die verblassende Hoffnung hinterlassen hatte. Sie wußte, daß sich ihr keine Möglichkeit zur Flucht bot.
    Aber Virgil Ackerman wird mir helfen können, redete sie sich ein, als sie den Fahrstuhl erreichte und den Rufknopf drückte. Ich werde zu ihm gehen; er wird genau wissen, was ich tun muß. Ich werde nie mit den Sternmenschen zusammenarbeiten, ob ich nun süchtig bin oder nicht; ich werde Eric nicht an sie verraten. Doch sie wußte, daß sie sich selbst belog.
     

 
6
     
    Am frühen Nachmittag, als sie in ihrem Büro im TF&D-Gebäude saß und alles für den Kauf eines 1935er Artefaktes, einer bemerkenswert gut erhaltenen Plattenaufnahme der Andrews-Schwestern von »Bei mir bist du schön«, vorbereitete, spürte Kathy Sweetscent die ersten Entzugssymptome.
    Ihr Hände wurden seltsam schwer.
    Mit äußerster Vorsicht legte sie die wertvolle Platte zur Seite. Und sie bemerkte, daß mit den Gegenständen, die sie umgaben, eine physiognomische Veränderung vorgegangen war. Während ihres ersten Versuchs mit JJ-180 in der Avila Street hatte die Welt sich ihr als Konglomerat luftiger, transparenter, gutartiger Dinge dargeboten, eine

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