Warte auf das letzte Jahr
Abrupt fuhr sie auf. Dann verließ sie das Bett und ging zitternd und barfüßig zur Garderobe, um sich anzukleiden.
Sie griff nach einem dünnen grauen Pullover und zog ihn an, als sie den Mann bemerkte, der sie beobachtete. Er war im Türrahmen erschienen und machte keine Anstalten, etwas zu sagen, sondern sah ihr beim Ankleiden zu und räusperte sich, als sie fertig war. »Mrs. Sweetscent?« Er war um die Dreißig, besaß eine hervorspringende Mundpartie und Augen, deren Blick ihr Unbehagen bereitete. Bekleidet war er mit einer dunkelgrauen Uniform, und sie wußte, was er war: ein Mitglied der Geheimpolizei des Lilisterns, die auch auf der Erde tätig war. Es war das erste Mal in ihrem Leben, daß sie einem Sternmenschen gegenüberstand.
»Ja«, sagte sie fast unhörbar. Sie setzte sich auf das Bett und streifte ihre Schuhe über, ohne den Blick von ihm abzuwenden. »Ich bin Kathy Sweetscent, die Frau von Dr. Eric Sweetscent, und wenn Sie nicht …«
»Ihr Mann hält sich in Cheyenne auf.«
»Tatsächlich?« Sie stand auf. »Ich muß das Frühstück zubereiten; lassen Sie mich bitte vorbei. Und ich möchte wissen, was Sie hier zu suchen haben.«
»Mein Befehl«, erklärte der Graugekleidete, »lautet, dieses Konap zu durchsuchen. Es geht um JJ-180, eine illegale Droge, die auch unter dem Namen Frohedadrin bekannt ist. Wenn sie sich in Ihrem Besitz befindet, händigen Sie sie mir bitte aus und folgen Sie mir zur Polizeistation von Santa Monica.« Er blätterte in seinem Notizbuch. »Gestern abend haben Sie in Tijuana, 45 Avila Street, diese Droge auf oralem Wege gemeinsam mit …«
»Darf ich meinen Anwalt anrufen?«
»Nein.«
»Soll das heißen, daß ich keine Rechte mehr habe?«
»Es herrscht Krieg.«
Furcht erfüllte sie. Dennoch gelang es ihr, mit bemerkenswerter Ruhe fortzufahren. »Darf ich zumindest meinen Arbeitgeber anrufen und ihm sagen, daß ich nicht kommen kann?«
Der graugekleidete Geheimpolizist nickte. Sie ging zum Videofon und wählte die Nummer von Virgil Ackermans Haus in San Fernando. Endlich erschien sein vogelartiges, verwittertes Gesicht auf dem Bildschirm. Eulenhaft beäugte er sie.
»Oh, Kathy. Was gibt es?«
»Helfen Sie mir, Mr. Ackerman. Der Lilistern …« Sie verstummte, denn der Graugekleidete hatte die Verbindung mit einer raschen Handbewegung unterbrochen. Achselzuckend legte sie auf.
»Mrs. Sweetscent«, fuhr der Graue fort, »ich möchte Ihnen Mr. Roger Corning vorstellen.« Er deutete in Richtung Korridor, wo ein weiterer Sternmensch auftauchte, der einen normalen Geschäftsanzug trug und eine Aktentasche in der Hand hielt. »Mr. Corning, das ist Kathy Sweetscent, die Frau von Dr. Sweetscent.«
»Wer sind Sie?« stieß Kathy hervor.
»Jemand, der Ihnen aus der Klemme helfen kann, meine Liebe«, erwiderte Corning freundlich. »Aber vielleicht sollten wir ins Wohnzimmer gehen und die Angelegenheit in aller Ruhe besprechen.«
Kathy ging in die Küche und tastete ein weichgekochtes Ei, Toast und Kaffee ohne Milch. »In diesem Ap befindet sich kein JJ-180. Falls Sie es nicht während der Nacht selbst hier versteckt haben.« Das Essen war fertig; sie nahm das Tablett, trug es zum Tisch und setzte sich. Der Kaffeegeruch begann die Furcht und die Verwirrung allmählich zu vertreiben; ihr Selbstbewußtsein kehrte zurück.
»Die Wohnung in der Avila Street steht unter Überwachung«, erklärte Corning. »Sie wurden von dem Augenblick an fotografiert, in dem Sie mit Bruce Himmel die Treppe hinaufgingen und das Ap betraten. Ihre ersten Worte lauteten: ›Hallo, Bruce. Wie es scheint, wird das heute eine richtige TF&D …‹«
»Das stimmt nicht ganz«, unterbrach Kathy. »Ich sagte Brucie zu ihm. Ich nenne ihn immer Brucie, weil er so kindlich und dumm ist.« Sie trank einen Schluck Kaffee, und ihre Hand zitterte nicht, als sie die Wegwerftasse wieder absetzte. »Ist auf den Fotos auch zu sehen, was sich in den Kapseln befand, die wir genommen haben, Mr. Gorning?«
»Corning«, berichtigte er gutgelaunt. »Nein, Katherine, das nicht. Aber die Aussagen von zwei der anderen Teilnehmer werden ausreichen, wenn sie sie unter Eid vor dem Militärgericht wiederholen.« Erklärend fügte er hinzu: »Diese Angelegenheit fällt nicht unter Ihre Zivilgerichtsbarkeit. Die Strafverfolgung liegt in unseren Händen.«
»Wieso denn das?« wollte sie wissen.
»JJ-180 kann man nur vom Feind erwerben. Deshalb ist der Genuß dieser Droge – und das können wir vor unserem Gericht beweisen
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