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Warte auf das letzte Jahr

Warte auf das letzte Jahr

Titel: Warte auf das letzte Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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stammten die alle aus ihrer eigenen Zeit – dem Jahr 2055. Scheiße, dachte sie wütend. Die Lösung liegt zum Greifen nahe – und gleichzeitig so fern.
    »Wie«, wandte sie sich an das Taxi, »kann ich einen Brief abschicken, ohne über die zur Zeit gültigen Briefmarken zu verfügen?«
    »Werfen Sie den Brief unfrankiert und ohne Absender ein, Miss. Die Post wird ihn dann dem Empfänger zustellen und von ihm das Nachporto verlangen.«
    »Ja«, murmelte sie, »natürlich.« Aber sie konnte die Protonex-Probe nicht in einem Briefumschlag stecken, sondern mußte ein Paket aufgeben, und ein Paket mußte man im voraus bezahlen. »Sag mal«, fragte sie das Taxi, »befinden sich in deiner Elektronik irgendwelche Transistoren?«
    »Nur ein paar. Aber die Transistoren …«
    »Gib mir einen davon. Mir ist es egal, wofür du ihn brauchst; bau ihn aus und gib ihn mir, und je kleiner er ist, desto besser.«
    Nach einer Weile rollte aus dem Schlitz in der Rückwand des Vordersitzes ein Transistor heraus, und sie fing ihn auf, bevor er auf den Boden fallen konnte.
    »Dadurch wird mein Funkempfänger außer Betrieb gesetzt«, bemerkte das Taxi. »Sie werden ihn mir bezahlen müssen, und er ist nicht gerade billig, denn …«
    »Sei still«, schnappte Kathy. »Und lande in dieser Stadt dort, und zwar so schnell wie möglich.« Hastig begann sie zu schreiben: ›Dieses Radioteil stammt aus der Zukunft, Virgil Ackerman. Zeige es niemandem bis zum Jahre 1940. Dann biete es Westinghouse Corp oder General Electronics oder irgendeiner anderen Elektronikfirma zum Kauf an. Es wird dir ein Vermögen einbringen. Mein Name ist Katherine Sweetscent. Bewahre ihn gut auf und erinnere dich später daran.‹
    Behutsam ging das Taxi auf dem Dach eines Bürogebäudes im Zentrum der kleinen Stadt nieder. Unten auf dem Bürgersteig blieben die altertümlich gekleideten Passanten stehen und gafften zu ihr hinauf.
    »Lande auf der Straße«, wies Kathy das Taxi an. »Ich muß den Transistor in den nächsten Briefkasten einwerfen.« In ihrer Tasche hatte sie einen Briefumschlag gefunden, bekritzelte ihn eilig mit Virgils 35er Wash-Adresse, legte den Transistor und den Brief hinein und klebte ihn zu. Das Taxi sank langsam tiefer und setzte dann auf der Straße mit ihren altertümlichen Autos auf.
    Einen Moment später lief sie auf einen Briefkasten zu, warf den Brief ein und schnappte keuchend nach Luft.
    Sie hatte es geschafft. Hatte Virgils wirtschaftliche Zukunft und damit auch ihre eigene gesichert. Der Grundstein für seine und ihre Karriere war gelegt.
    Zum Teufel mit dir, Eric Sweetscent, dachte sie. Jetzt habe ich es nicht mehr nötig, dich zu heiraten; du bist nun nutzlos für mich geworden.
    Und dann erkannte sie enttäuscht: Nein, ich muß dich trotzdem heiraten, um deinen Namen anzunehmen. Damit sich Virgil an mich erinnern kann, später, in meiner eigenen Zeit. Was sie getan hatte, war also vollkommen sinnlos gewesen.
    Langsam kehrte sie zum wartenden Taxi zurück.
    »Miss«, sagte das Taxi, »würden Sie mir dabei helfen, neuen Brennstoff zu suchen?«
    »Du wirst hier keinen Treibstoff finden«, erwiderte Kathy. Seine hartnäckige Weigerung – oder sein Unvermögen –, ihre Lage zu erfassen, machte sie rasend. »Sofern du dich nicht mit Benzin von sechzig Oktan zufriedengibst. Aber das dürfte dir nur wenig nützen.«
    Ein Passant, ein Mann mittleren Alters, der einen Strohhut trug, blieb abrupt stehen, als er das Automatentaxi bemerkte. »He, Lady«, rief er ihr zu, »was ist denn das? Eine neue Geheimwaffe der US-Marineinfanterie?«
    »Ja«, bestätigte Kathy. »Und später wird es dafür sorgen, daß die Nazis geschlagen werden.« Sie stieg ein und wandte sich noch einmal an die Menschenmenge, die sich in sicherer Entfernung um das Taxi versammelt hatte. »Behaltet den 7. Dezember 1941 nur ja gut im Gedächtnis; es wird ein denkwürdiger Tag werden.« Sie verriegelte die Wagentür. »Also los. Ich könnte diesen Leuten soviel erzählen … aber es scheint mir kaum der Mühe wert zu sein. Ein Haufen provinzieller Narren.« Diese Stadt, dachte sie, lag entweder in Kansas oder in Missouri, so wie es hier aussah. Das Ganze widerte sie an.
    Gehorsam stieg das Taxi in die Höhe.
    Die Sternmenschen sollten das Kansas des Jahres 1935 sehen, sagte sie sich. Dann würden sie sich gewiß nicht die Mühe machen, die Erde zu übernehmen; sie wäre es einfach nicht wert.
    »Lande auf einem Feld außerhalb der Stadt«, befahl sie dem Taxi. »Dort

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