Warte auf das letzte Jahr
erinnerte Eric, »werde ich die Wahrheit wissen, sobald ich Gelegenheit habe, ihn zu untersuchen.« Und das wird bald der Fall sein, dachte er. »Wenn Sie damit einverstanden sind, setzen wir unser Gespräch ein andermal fort. Ich habe bisher noch keine Zeit gehabt, mein Konap herzurichten.«
»Ihre Frau – Kathy heißt sie, nicht wahr? – hat Sie nicht begleitet, oder?« Don Festenburg zwinkerte. »Sie können sich glücklich schätzen. Ich bin in der Lage, Ihnen behilflich zu sein. Das ist meine Aufgabe, das Verbotene, das Verhängnisvolle und – nun, nennen wir es das Sonderbare. Aber Sie kommen ja aus Tijuana; ich glaube nicht, daß ich Ihnen noch irgend etwas beibringen kann.«
»Ich glaube …« Eric schwieg. Schließlich ging es ihn nichts an, was Festenburg aus seinem Leben machte.
»Doktor, wußten Sie, daß sich im Mittelalter die Herrschenden Menschen am Hofe hielten, die ihr ganzes Leben in Flaschen verbrachten … und natürlich vollkommen verschrumpelt waren, weil man sie bereits als Babys in die Flasche steckte? Heute gibt es so etwas nicht mehr. Jedenfalls ist jetzt Cheyenne der Sitz der Könige; es gibt da gewisse Dinge, die ich Ihnen zeigen möchte, falls Sie interessiert sind. Und wenn auch nur aus medizinischen, beruflichen …«
»Ich glaube«, unterbrach Eric, »was Sie mir auch zeigen wollen, es würde nur dazu führen, daß ich meinen Entschluß, nach Cheyenne zu kommen, noch mehr bereue. Also weiß ich ehrlich gesagt nicht, was das für einen Sinn haben sollte.«
»Warten Sie«, bat Festenburg und hob eine Hand. »Werfen Sie nur einen Blick darauf. Es ist gut bewacht und wird in einer Konservierungsflüssigkeit aufbewahrt. Kommen Sie. Es befindet sich im Raum 3-C des Weißen Hauses.« Festenburg ging zur Tür und öffnete sie.
Nach einem Moment des Zögerns folgte Eric ihm.
Die Hände in den Taschen seiner zerknitterten, weiten Hose vergraben, führte ihn Festenburg durch das Labyrinth der Gänge hinunter in die unterirdischen Bereiche des Gebäudes, bis sie sich zwei hochrangigen Beamten des Geheimdienstes gegenübersahen, die vor einer metallverkleideten Tür mit der Aufschrift STRENG GEHEIM – BETRETEN FÜR UNBEFUGTE VERBOTEN postiert waren.
»Keine Sorge, ich bin befugt«, erklärte Festenburg gelassen. »Gino hat mir die Aufsicht über diesen Raum anvertraut; er hält große Stücke auf mich, und deshalb werden Sie jetzt Zeuge eines Staatsgeheimnisses werden, von dem Sie sonst in tausend Jahren keine Kenntnis bekommen hätten.« Er ging an den uniformierten Geheimdienstbeamten vorbei und schloß die Tür auf. »Allerdings kann ich Ihnen eine Enttäuschung nicht ersparen; ich werde es Ihnen zwar zeigen, aber ohne Ihnen eine Erklärung zu geben. Ich würde es Ihnen zwar sehr gern erläutern, aber – ich kann es einfach nicht.«
Im Mittelpunkt des dunklen, kalten Raumes entdeckte Eric einen Sarg. Er war hermetisch isoliert; eine Kältepumpe arbeitete mit dumpfem Brummen und hielt im Innern des Sarges eine extrem niedrige Temperatur aufrecht.
»Schauen Sie es sich an«, forderte Festenburg ihn auf.
Eric zögerte, setzte eine Zigarette in Brand und trat dann auf den Behälter zu.
Im Sarg lag Gino Molinari; rücklings, das Gesicht schmerzverzerrt. Er war tot. Geronnenes Blut bedeckte seinen Hals. Seine Uniform war verschmiert. Die Hände hatte er erhoben, die Finger verkrümmt, als ob er selbst jetzt noch gegen das – oder gegen den – ankämpfen würde, was ihn ermordet hatte. Ja, dachte Eric. Er ist einem Attentat zum Opfer gefallen. Das ist der Leichnam des Generalsekretärs, von Kugeln durchsiebt, von einer Waffe getötet, die ihre Geschosse mit bemerkenswert hoher Geschwindigkeit abfeuert; sein Körper ist zerfetzt, fast in Stücke gerissen. Ein grausamer Anschlag – und ein erfolgreicher.
»Nun«, sagte Festenburg nach einer Weile und holte tief Luft, »es gibt mehrere Möglichkeiten, dieses Ding dort – das ich als Attraktion Nummer eins der Cheyenner Monstershow zu bezeichnen pflege – zu erklären. Gehen wir davon aus, daß es eine Robameise ist und hier auf den Zeitpunkt wartet, an dem Gino darauf zurückgreifen wird. Gebaut wurde das Simulacrum von GRS Enterprises, von dem erfinderischen Dawson Cutter, den Sie kennenlernen sollten.«
»Was hat Molinari damit vor?«
Festenburg rieb seine Nase und erwiderte: »Es gibt verschiedene Verwendungsmöglichkeiten. Man könnte es im Falle eines fehlgeschlagenen Attentates einsetzen und Gino Gelegenheit geben, sich
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