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Warte auf das letzte Jahr

Warte auf das letzte Jahr

Titel: Warte auf das letzte Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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Vielleicht war dies eine mildere Form seiner selbstzerstörerischen Natur. Jedenfalls hatte er sich geschlagen gegeben; er nahm ihren Arm und führte sie durch die Tür, vorbei an den Wachen des Weißen Hauses, zur Cafeteria. »Du siehst schlecht aus«, stellte er fest. »Du bist blaß. Und so verkrampft.«
    »Seit du mich verlassen hast«, erwiderte sie, »ging es mir nicht besonders gut. Ich glaube, ich bin wirklich von dir abhängig.«
    »Symbiose«, sagte er. »Das ist schädlich.«
    »So ist es nicht!«
    »Natürlich ist es so. Das beweist es. Nein, wir werden nicht so wie früher weitermachen.« Er fühlte sich – zumindest in diesem Augenblick – überlegen; er mußte es durchstehen, hier und jetzt. Er sah sie an. »Kathy, du siehst tatsächlich krank aus.«
    »Das liegt daran, weil du mit dem Maulwurf zusammenbist; du hast dich an die Gesellschaft von Kranken gewöhnt. Mir geht es ausgezeichnet; ich bin nur ein wenig müde.«
    Aber sie wirkte – dünner. Als ob sie etwas verloren hätte, als ob sie innerlich vertrocknet wäre. War sie gealtert? Nein, das war es nicht. Oder hatte ihre Trennung dies angerichtet? Das bezweifelte er. Seit ihrer letzten Begegnung war seine Frau schwach geworden, und das gefiel ihm nicht; trotz der Abneigung, die er ihr entgegenbrachte, empfand er Besorgnis.
    »Du solltest dich besser gründlich untersuchen lassen«, riet er ihr.
    »Herrgott noch mal!« stöhnte Kathy, »ich bin in Ordnung. Ich meine, ich werde in Ordnung sein, sobald wir unseren Streit beigelegt haben und …«
    »Das Ende einer Beziehung«, unterbrach er, »wird nicht durch einen Streit herbeigeführt. Man überdenkt sein Leben und ändert es, sollte dies erforderlich sein. Was ja auch geschehen ist.« Er nahm zwei leere Kaffeetassen, füllte sie am Zapfhahn und bezahlte bei dem Robameisen-Kassierer.
    Als sie an einem der Tische Platz genommen hatten, setzte Kathy eine Zigarette in Brand und erklärte: »In Ordnung, angenommen, ich gebe zu, daß ich ohne dich nicht mehr leben kann. Kümmert dich das überhaupt, oder läßt es dich kalt?«
    »Es läßt mich nicht kalt, aber das bedeutet nicht …«
    »Du läßt mich also zugrunde gehen.«
    »Ich habe schon einen Kranken, der meine gesamte Zeit und Arbeit in Anspruch nimmt. Ich kann dir nicht auch noch helfen.« Vor allem, fügte er in Gedanken hinzu, wenn ich es im Grunde gar nicht will.
    »Aber du brauchst doch nur …« Sie seufzte und nippte düster an ihrem Kaffee; er bemerkte, daß ihre Hand zitterte, als würde sie an der Parkinsonschen Krankheit leiden. »Nichts. Ich möchte nur bei dir sein. Dann wird alles wieder gut.«
    »Nein«, erklärte er. »Und offen gesagt, glaube ich nicht daran. Dir geht es nicht deswegen so schlecht; es muß noch einen anderen Grund geben.« Obwohl er wußte, daß er sich im medizinischen Sinne nicht irrte und eine Krankheit sofort erkannte, wenn es irgendwelche Anzeichen dafür gab, gelang es ihm doch nicht, eine entsprechende Diagnose zu treffen. »Ich glaube, du weißt, was dir fehlt«, sagte er unverblümt. »Wenn du möchtest, sprich mit mir darüber. Ich will dir eins sagen; diese Art von dir ist schlimmer als alles andere. Du sagst mir nicht alles, was du sagen solltest, du bist weder ehrlich noch verantwortungsbewußt, und, verdammt noch mal, auf einer derartigen Basis werde ich nicht …«
    »Schön!« Sie starrte ihn an. »Ich bin krank; ich gebe es zu! Aber das ist meine Angelegenheit; du brauchst dich darum nicht zu kümmern.«
    »Ich glaube«, erklärte er, »daß es sich um eine neurologische Krankheit handelt.«
    Sie fuhr zusammen; ganz bleich wurde ihr Gesicht.
    »Ich werde etwas tun, das vielleicht ein wenig voreilig und unnötig ist«, verkündete er, »aber ich werde es tun und abwarten, was daraus wird. Ich werde dafür sorgen, daß man dich einsperrt.«
    »Großer Gott, warum?« Panikerfüllt sah sie ihn an, suchte nach Worten; wie in Abwehr hob sie ihre Hände und ließ sie dann wieder fallen.
    Er erhob sich und näherte sich einer Kellnerin. »Miss«, sagte er, »würden Sie einen Beamten des Geheimdienstes an meinen Tisch bitten?« Er deutete auf seinen Platz.
    »Ja, Sir«, nickte die Frau gelassen. Sie drehte sich zu einem der Lehrlinge herum, der folgsam in der Küche verschwand.
    Eric kehrte an seinen Tisch zurück und setzte sich Kathy gegenüber auf seinen Stuhl. Langsam schlürfte er seinen Kaffee, versuchte sich zu beruhigen und verkrampfte sich gleichzeitig innerlich, in Erwartung dessen, was

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