Warte auf das letzte Jahr
Mühe, blickte Kathy auf und sah ihn an. »Irgend etwas … Neues?«
»Das Gegenmittel wird bald zur Verfügung stehen. Hazeltine Corporation braucht es nur noch zusammenzubrauen und herzuschicken. Es dauert vielleicht noch sechs Stunden.« Er wollte ihr ermutigend zulächeln, doch es gelang ihm nicht. »Wie geht es dir?«
»Besser. Da ich jetzt weiß, daß alles gut werden wird.« Sie war überraschend gefaßt und realistisch, selbst auf ihre schizoide Art. Zweifellos hatten ihr die Beruhigungsmittel geholfen. »Du hast es geschafft, nicht wahr? Du hast das Gegenmittel für mich entdeckt.« Und dann, als würde sie sich erst jetzt daran erinnern, fügte sie hinzu: »Und natürlich auch für dich. Aber du hättest es behalten können, ohne mir etwas davon zu sagen. Danke, Liebster.«
»Liebster.« Es schmerzte ihn, daß sie ihn so nannte.
»Ich weiß«, sagte Kathy bedächtig, »daß du mich im Grunde noch immer liebst, trotz der Dinge, die ich dir angetan habe. Andernfalls würdest du nicht …«
»Natürlich würde ich das; hältst du mich für ein moralisches Ungeheuer? Jeder sollte das Gegenmittel bekommen können, jeder, der auf dem verdammten Zeug draufhängt. Selbst die Sternmenschen. Ich für meinen Teil halte Drogen, die bewußt dazu gedacht sind, Abhängigkeit und körperliche Zerstörung zu erzeugen, für ein abscheuliches Verbrechen gegen das Leben.« Er verstummte dann und dachte: Und jemand, der andere süchtig macht, ist ein Verbrecher und sollte gehängt oder erschossen werden. »Ich muß jetzt gehen«, erklärte er. »Ich muß zurück nach Cheyenne. Ich werde wiederkommen. Viel Glück bei deiner Therapie.« Nach einem Moment des Zögerns fügte er hinzu, so sanft wie möglich: »Du weißt, daß das Mittel nichts gegen die körperlichen Schäden ausrichten kann, die bereits aufgetreten sind; du verstehst das doch, oder, Kathy?«
»Wie alt«, fragte sie, »sehe ich aus?«
»So alt, wie du bist; wie fünf und dreißig.«
»Nein.« Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe mich im Spiegel gesehen.«
»Sorg dafür, ja, daß alle, die in jener Nacht mit dir zusammen die Droge genommen haben, sich einer Therapie mit dem Gegenmittel unterziehen. Klar?«
»Natürlich. Sie sind meine Freunde.« Sie spielte mit ihrer Zeitschrift. »Eric, ich kann nicht verlangen, daß du bei mir bleibst, so wie ich jetzt aussehe. So faltig und …« Sie brach ab und versank in Schweigen.
War dies seine Chance? »Du willst dich scheiden lassen, Kathy?« fragte er. »Wenn du willst, bin ich damit einverstanden. Aber …« Er zögerte. Wie weit konnte Heuchelei gehen? Was wurde jetzt von ihm erwartet? Sein zukünftiges Selbst, sein Gegenpart aus dem Jahre 2056, hatte ihn angefleht, sich von ihr zu trennen. Zwang ihn nicht die Vernunft dazu, daß er dem nachgab, und wenn möglich, dann gleich jetzt?
Leise gestand Kathy: »Ich liebe dich noch immer. Ich möchte mich nicht von dir trennen. Und ich verspreche, dich von nun an besser zu behandeln; ehrlich, ich werde es tun. Ich verspreche es.«
»Soll ich ehrlich sein?«
»Ja«, nickte sie. »Du solltest immer ehrlich zu mir sein.«
»Laß mich gehen.«
Sie blickte auf. Ihre alte Tatkraft, die Bosheit, die den Charakter ihrer Verbindung bestimmt hatte, glomm in ihren Augen auf. Doch etwas hatte sich geändert. Ihre Sucht und die Beruhigungsmittel hatten sie geschwächt; die Macht, die sie früher über ihn gehabt, die ihn gelähmt und an sie gefesselt hatte, war verschwunden. Achselzuckend murmelte sie: »Nun, ich habe dich gebeten, ehrlich zu mir zu sein, und du hast meine Bitte erfüllt. Ich müßte eigentlich froh sein.«
»Bist du dann einverstanden? Du hast nichts gegen eine Scheidung einzuwenden?«
»Unter einer Bedingung«, sagte Kathy vorsichtig. »Nur wenn es keine andere Frau gibt.«
»Es gibt keine.« Er dachte an Phyllis Ackerman; aber diese Affäre zählte gewiß nicht. Selbst nicht in Kathys von Mißtrauen erfüllter Welt.
»Ich werde es herausfinden«, versicherte sie. »Und wenn du mich belogen hast, werde ich die Scheidung anfechten und dir so viele Schwierigkeiten wie nur möglich machen. Du wirst dann nie von mir freikommen; das ist ebenfalls ein Versprechen.«
»Dann ist also alles in Ordnung.« Er spürte, wie eine große Last von ihm abfiel, so daß nur die gewöhnlichen irdischen Probleme zurückblieben, die jeder Mensch ertragen konnte. »Danke«, sagte er.
»Danke, Eric, für das Gegenmittel«, erwiderte Kathy. »Jetzt siehst du, was meine
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