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Warte auf das letzte Jahr

Warte auf das letzte Jahr

Titel: Warte auf das letzte Jahr Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip K. Dick
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nicht den Einsatz von Transplantorganen verboten hätte. Durch seine neurotische, selbstzerstörerische Anweisung hatte er für die Medizin die Uhr um ein Jahrhundert zurückgedreht.
    Bereits jetzt, ohne daß er die geöffnete Brust des Mannes einer näheren Untersuchung unterzogen hatte, wußte Eric, daß er hilflos war. Außer auf seinem Spezialgebiet der Organtransplantation war er Teagarden in keiner Hinsicht überlegen. Seine ganze Karriere hatte auf der Möglichkeit beruht, die versagenden Organe auszutauschen.
    »Lassen Sie mich noch einmal einen Blick auf die Unterlagen werfen.« Er nahm Teagarden die Papiere ab und studierte sie diesmal sorgfältiger. Mit Sicherheit hatte ein so listiger und findiger Mann wie Molinari irgendwelche Alternativen zur Organtransplantation ausgearbeitet.
    »Natürlich ist Prindle ebenfalls benachrichtigt worden«, bemerkte Festenburg. »Er hält sich bereit, eine Rede im Fernsehen zu halten, wenn es feststeht, daß wir Molinari nicht mehr retten können.« Seine Stimme klang unnatürlich hohl; Eric sah ihn an und fragte sich, welche Gefühle ihn wohl tatsächlich beherrschen mochten.
    »Was ist mit diesem Paragraphen hier?« fragte Eric und zeigte Dr. Teagarden das Dokument. »Der den Einsatz des GRS Enterprises Robameisen-Simulacrums betrifft, das Molinari auf Videoband hat aufnehmen lassen? Die Sendung sollte heute nacht über die Fernsehsender ausgestrahlt werden.«
    »Was soll damit sein?« brummte Teagarden und überflog den entsprechenden Passus. »Natürlich wird die Sendung gestrichen.
    Und was die Robameise selbst betrifft, so bin ich nicht darüber informiert. Vielleicht weiß Festenburg mehr.« Er blickte Festenburg fragend an.
    »Dieser Paragraph«, erklärte Festenburg, »ist sinnlos. Buchstäblich. Was zum Beispiel hat es für einen Zweck, eine Robameise in einer Kältepackung zu konservieren? Wir haben keine Möglichkeit, Molinaris Absichten zu ergründen, und außerdem haben wir alle Hände voll zu tun. Dieses verdammte Dokument enthält dreiundvierzig Paragraphen; wir können sie nicht alle gleichzeitig ausführen, oder?«
    »Aber«, versetzte Eric, »Sie wissen, wo …«
    »Ja«, nickte Festenburg, »ich weiß, wo sich das Simulacrum befindet.«
    »Holen Sie es aus der Kältepackung«, forderte Eric. »Aktivieren Sie es, wie es das Dokument vorschreibt. Das, wie Sie bereits wissen, rechtlich gesehen bindend ist.«
    »Ich soll es also aktivieren – und was dann?«
    »Es wird es Ihnen von da an selbst sagen«, erwiderte Eric. Und auch für die nächsten Jahre, dachte er. Denn das ist der ganze Sinn dieses Dokuments. Gino Molinaris Tod braucht nicht öffentlich bekanntgemacht zu werden, denn sobald die sogenannte Robameise aktiviert ist, hat sein Tod niemals stattgefunden.
    Und, dachte er, ich glaube, daß du das weißt, Festenburg.
    Schweigend sahen sie einander an.
    Eric wandte sich an einen der Geheimdienstbeamten. »Ich möchte, daß ihn vier von Ihren Leuten begleiten. Es ist nur ein Vorschlag, aber ich hoffe, Sie hören auf mich.«
    Der Mann nickte und suchte sich drei seiner Leute aus; sie folgten Festenburg, der jetzt verwirrt und ängstlich und in keiner Weise gefaßt wirkte. Nur mit Widerwillen schien er seine Aufgabe zu erfüllen, und er verließ den Raum, dicht hinter ihm die vier Beamten des Geheimdienstes.
    »Wie steht es mit einem weiteren Versuch, seine geplatzte Aorta-Arterie zu flicken?« erkundigte sich Dr. Teagarden. »Wollen Sie es denn nicht einmal probieren? Wir könnten noch immer eine Kunststoff …«
    »Der Molinari dieser Zeitsequenz«, unterbrach Eric, »hat schon genug mitgemacht. Meinen Sie nicht auch? Für ihn ist jetzt der Augenblick gekommen, sich zurückzuziehen; es ist sein Wille.« Wir müssen uns einer Tatsache stellen, erkannte er, die vermutlich keinem von uns sehr behagt, weil uns dadurch deutlich wird, daß wir eine Regierungsform bekommen werden – und bereits gehabt haben –, die nur schwer mit unseren theoretischen Vorstellungen in Einklang zu bringen ist.
    Molinari hatte eine Dynastie gegründet, die aus ihm selbst bestand.
    »Dieses Simulacrum kann unmöglich an Ginos Stelle herrschen«, protestierte Teagarden. »Es ist eine Maschine, und das Gesetz verbietet es …«
    »Deshalb verweigert Gino auch die Implantation von künstlichen Organen. Er kann nicht Virgils Beispiel folgen und die verbrauchten Organe auswechseln lassen, denn sonst könnte man ihn auf legale Weise absetzen. Aber das ist nicht weiter wichtig.«

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