Warte, Bald Ruhest Auch Du: Mitchell& Markbys Dritter Fall
das, mit dem man da zusammenstieß, ein großer Shire-Wallach. Im Winter, wenn es frostig war, wickelten wir ihnen Sackleinen wie Stiefel um die Hufe, damit sie nicht ausrutschten. Ich rede von längst vergangenen Zeiten. Die schweren Pferde sind nach dem letzten Krieg verschwunden. Die Traktoren kamen. Es war nicht dasselbe, aber aus finanziellen Gründen vernünftiger. Jetzt, glaub ich, fangen sie an, die Pferde zurückzuholen, aber weniger englische Rassen, mehr französische, Percheron und Ardennes.« Sie unterbrach sich und fügte, der Frage zuvorkommend, die Meredith offensichtlich stellen wollte, lächelnd hinzu:
»Ich bin zweiundsiebzig.«
»Das ist kaum zu glauben!« rief Meredith ehrlich erstaunt. Mrs. Carmody lächelte wieder.
»Die Zeit fliegt, und sie fliegt immer schneller, je älter man wird. Sie waren nie verheiratet, meine Liebe?«
»Nein, nie.« Es war eine Frage, die alte Frauen unvermeidlich früher oder später stellten, und Mrs. Carmody war niemand, der auf den Busch klopfte, sie kam direkt auf den Punkt. Meredith wartete auf das, was noch kam.
»Sie und Alan sind alte Freunde, nehme ich an?« Sie meinte natürlich
»eng«, nicht
»alt«.
»Nur Freunde«, sagte Meredith entschieden,
»nicht mehr.« Mrs. Carmody schob ein paar Haarsträhnen in ihren Nakkenknoten – erfolglos, denn sie lösten sich sofort wieder.
»Allein alt zu werden ist kein Spaß.«
»Niemand hat die Garantie dafür, daß er im Alter nicht allein ist«, antwortete Meredith unüberlegt. Zu spät wurde ihr bewußt, wie taktlos sie gewesen war, und sie machte einen vergeblichen Versuch, ihren Fehler abzuschwächen.
»Aus diesem Grund sollte man nicht heiraten – als Versicherung gewissermaßen.« Die alte Frau half ihr mit einer Geste über ihre Verlegenheit hinweg.
»Natürlich nicht. Mein Mann hat nicht gedacht, daß er mich so viele Jahre hier allein lassen würde. Um so zwingender der Grund, nicht herumzutrödeln und zu zögern, wenn es etwas gibt, was sich das Herz wünscht. Greifen Sie jetzt zu. Morgen könnte es zu spät sein.« Motorgeräusch wurde laut.
»Da kommt Alan«, sagte Mrs. Carmody gelassen, erhob sich inmitten eines Wasserfalls aus Tweed und setzte eine mißmutige Katze auf den Boden.
»Nehmen Sie die alte Röstgabel vom Haken, ich schneide Brot, und dann essen wir ganz altmodisch Toast am Feuer. Es ist nicht das gleiche, wenn man Brot im Elektro- oder Gasherd röstet. Das hat keinen Geschmack und wird hart.« Ein wenig erleichtert sah Meredith sie gehen. Sie mußte Markby auf einen Rundgang durch den Heuboden mitgenommen haben, denn es dauerte einige Zeit, bevor ihre Stimmen hörbar wurden. Markby kam allein herein und warf sich Meredith gegenüber in einen Sessel. Sie saß da und hielt die Röstgabel wie einen Dreizack vor sich hin. Er grinste.
»Hallo, Britannia. Haben Sie mit Dolly geredet?«
»Ja, sie ist sehr interessant – die meiste Zeit jedenfalls.« Meredith hörte selbst den steifen Unterton in ihrer Stimme.
»Hat Sie ein bißchen gegen den Strich gebürstet, wie? Sie nimmt kein Blatt vor den Mund. Ich werde nicht fragen, was sie gesagt hat. Sie macht uns Tee und schneidet dicke Klötze Obstkuchen.«
»Ich gehe ihr helfen.« Hastig stand Meredith auf.
»Ich nehme an, sie will, daß ich mit dem Toasten anfange. Hier, halten Sie mal …« Er nahm den Dreizack, griff aber mit der anderen Hand nach ihr und hielt sie fest. Die Stimme senkend zu Tür blikkend, fuhr er fort:
»Wir werden vielleicht bald erfahren, ob an Ihrer Idee was dran ist.«
»An meiner Idee?« fragte sie überrascht.
»An welcher?«
»An der mit den Goldzähnen. Ich habe darum ersucht die Beschreibung des Toten und seine Fingerabdrücke international in Umlauf zu bringen. Wenn er Ausländer und in irgendeinem Land aktenkundig geworden ist, werden wir es bald erfahren.«
»Oh, ich verstehe.« Meredith zögerte.
»Ich habe noch ein paar andere Ideen, was immer davon zu halten ist. Will Ihnen natürlich nicht ins Handwerk pfuschen.«
»Das wäre ja was ganz Neues.«
»Okay, ich behalte sie für mich.«
»Ich möchte sie aber lieber kennenlernen.«
»Gut. Fragen Sie Mrs. Carmody nach dem Händler für bäuerliche Antiquitäten, landwirtschaftliche Viktoriana, der vor ungefähr sechs Monaten hier war.«
»Gut. Und die zweite Idee?« fragte er scharf.
»Ich bin nicht sicher, was sie von ihr halten werden …« Er stöhnt.
»Mrs. Carmody hat mir von den ›Grauen Leuten‹ erzählt wie sie sie nennt, dieser
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