Warte, bis du schlaefst
angekommen.«
»Wie heißt diese Bar?«
»Das weiß ich nicht. Ich hab nicht daran gedacht, Dad zu fragen. Er ist auf dem Weg in die Stadt.«
»Wer könnte das wissen?«
»Leeseys Mitbewohnerin Kate. Sie ist diejenige, die Dad angerufen hat. Ich treffe mich mit ihm in der Wohnung, die sie und Leesey sich teilen.«
»Gib mir Kates Telefonnummer. Ich rufe dich nachher zurück.«
Larry Ahearns Privatzimmer befand sich direkt neben dem großen Dezernatsbüro. Er war froh, dass er in diesem Augenblick allein war und keiner den Ausdruck auf seinem Gesicht sehen konnte. Leesey war sechs Jahre alt gewesen, als er bei den Andrews’ in Greenwich zu Besuch gewesen war, im Herbst seines ersten Studienjahres in Georgetown. Er hatte sie von einem süßen Mädchen zu einer bildhübschen jungen Frau heranwachsen sehen, die Art von Frau, auf die es jeder Kerl abgesehen haben könnte, von einem Triebtäter ganz zu schweigen.
Sie ist ganz allein weggegangen, als die Bar zugemacht hat. Gnädiger Gott, dieses verrückte Kind.
Sie kapieren es einfach nicht.
Larry Ahearn war sich bewusst, dass er Gregg und Leeseys Vater würde mitteilen müssen, dass in den letzten zehn Jahren drei junge Frauen in derselben Gegend im Bereich SoHo – Greenwich Village nach einem Abend in einer dieser Bars verschwunden waren.
9
Als es am Mittwochmorgen auf elf Uhr zuging, wurde Lil Kramer zunehmend nervös. Seit diesem Anruf von Carolyn MacKenzie am Montag hatte ihr Gus unablässig eingeschärft, unter keinen Umständen mehr zu sagen, als was sie über Macks Verschwinden vor zehn Jahren wusste. »Und das heißt: gar nichts«, ermahnte er sie immer wieder. »Absolut nichts! Erzähl ihr nur das übliche Zeug, was für ein netter junger Mann er war, Punkt, aus. Und keine ängstlichen Seitenblicke auf mich nach dem Motto: Hilf mir aus der Patsche!«
Die Wohnung war wie immer tadellos aufgeräumt und sauber, doch heute schien die Sonne besonders hell und ließ, wie durch ein Vergrößerungsglas, die abgewetzten Armlehnen des Sofas und die angeschlagene Ecke des gläsernen Couchtisches hervorstechen.
Eigentlich habe ich diesen Couchtisch gar nicht gewollt, dachte Lil, froh, einen Gegenstand gefunden zu haben, mit dem sie sich in ihrer Not beschäftigen konnte. Er ist einfach zu groß. Er passt nicht zu unseren altmodischen Möbeln. Als Winifred ihre Wohnung neu eingerichtet hat, hat sie ihn mir aufgeschwatzt und mich überredet, mich von meinem schönen lederbezogenen Tischchen zu trennen, ein Hochzeitsgeschenk von Tante Jessie. Dieses Glasungetüm ist zu groß, und ich stoße mir immer die Knie an, und außerdem passt es nicht zu den Beistelltischchen, dachte sie.
Noch etwas anderes bereitete ihr Sorge. Hoffentlich kommt wenigstens Altman nicht hereingeschneit, wenn diese MacKenzie da ist, dachte sie.
Howard Altman, der Immobilienmakler und Hausverwalter der neun kleinen Wohngebäude, die sich im Besitz von Mr. Olsen befanden, war vor etwa einer Stunde zu einem seiner unangekündigten Besuche aufgetaucht. Gus nannte ihn immer »Olsens Gestapo«. Altman hatte dafür Sorge zu tragen, dass die einzelnen Hausmeister alles perfekt in Schuss hielten. Er hat bei uns nie etwas auszusetzen gehabt, dachte Lil. Was mir Angst macht, ist etwas anderes. Jedes Mal, wenn er in unsere Wohnung kommt, lässt er irgendwann die Bemerkung fallen, dass es reine Geldverschwendung sei, zwei Menschen in dieser großzügigen Fünfzimmerwohnung wohnen zu lassen.
Doch wenn er glaubt, dass ich mich je dazu bewegen lasse, in so eine enge Wohnung mit nur einem Schlafzimmer umzuziehen, dann irrt er sich gewaltig, dachte sie entrüstet, während sie die Blätter der künstlichen Pflanze auf dem Fensterbrett richtete. Dann erstarrte sie, als sie Stimmen im Flur hörte und gleich darauf Gus und Altman die Wohnung betraten.
Obwohl es draußen warm war, trug Howard Altman wie immer Hemd, Krawatte und Sakko. Jedes Mal, wenn sie ihn sah, musste Lil an Winifreds spöttischen Kommentar denken. »Er tut doch nur so, als sei er was Besonderes, Mom. Er meint, wenn er sich so in Schale wirft, um die Gebäude zu inspizieren, werden die Leute glauben, er sei eine große Nummer. Dabei war er früher auch nur Hausmeister, genau wie Dad, bevor er sich bei dem alten Olsen eingeschleimt hat. Lass dich doch von so einem nicht ins Bockshorn jagen.«
Aber er geht mir trotzdem auf die Nerven, dachte Lil. Er geht mir auf die Nerven, weil er sich immer so auffällig in dieser Wohnung umschaut,
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