Warten auf den Monsun
einen Bruder begrüßt, den er nach Jahren der Trennung endlich wieder in die Arme schließt.
»Jedesmal, wenn ich Sie sehe, sind Sie noch schöner geworden«, sagt der Maharadscha zu Charlotte, die errötend antwortet, daß sie in einem Monat schon einundzwanzig wird. »Einundzwanzig!« ruft der Maharadscha. »Das ist die schönste Zeit des Lebens, ach, wie gern wäre ich erst zwanzig!« Er legt den Arm freundschaftlich um Peters Schulter und führt ihn weg. Charlotte folgt ihnen vergnügt in einen großen Saal, wo die Frauen in ihren prachtvollen Saris sie erwarten.
»Doktor Sahib«, gurren und rufen sie, während sie sich zum Gruß verneigen. »Charlotte Memsahib, willkommen«, hört Charlotte zwischen den vielen Frauenstimmen, die sich hauptsächlich an Peter richten. Inmitten der farbenfrohen Gruppe von Frauen entdeckt sie Chutki, die jüngste Tochter des Maharadschas, mit einem kleinen Jungen an der Hand. Sie winken sich fröhlich zu. Schüsseln mit den herrlichsten Häppchen werden von Dienern in prachtvollen Livreen hereingetragen, und Getränke werden herumgereicht.
»Auf die Jagd!« prostet der Maharadscha.
Peter stößt lachend mit ihm an. Charlotte, die gar nicht gewußt hatte, daß eine Jagdpartie stattfindet, sieht Peter erstaunt an, der strahlend zugibt, daß er genauso erstaunt ist, es aber wunderbar findet, wieder einmal mit dem Maharadscha loszuziehen.
»Und ich?« fragt Charlotte. »Darf ich auch mit?«
»Nein, natürlich nicht, nur die Männer«, flüstert Peter.
Charlotte liegt mit Chutki und dem leise weinenden Brüderchen auf einem großen Doppelbett im Frauengemach, sie lassen sich Kekse schmecken. Das Mädchen zeigt auf Charlottes Bauch.
»Und?« fragt sie.
»Noch nicht«, sagt Charlotte, »noch nicht.«
»Aber du bist so schön.«
»Peter hat sehr viel zu tun.«
»Doktor Sahib soll nicht zu lange warten«, kichert Chutki und schlägt dann die Hand vor den Mund.
»Warum?« will Charlotte wissen.
Chutki verdreht die Augen und streichelt ihr Brüderchen, aber der Kleine hört nicht auf, leise zu weinen.
»Nein«, sagt Charlotte schockiert, »ich will nur von Peter ein Baby.«
»Warum hat Doktor Sahib so viel zu tun?«
»Im Krankenhaus sind sehr viele Patienten.«
»Er macht meinen Bruder gesund.«
»Hat er dasselbe wie du und dein Vater?«
Chutki bejaht und zieht den weinenden Jungen auf ihren Schoß. »Ich heirate, bald habe ich selber ein Baby.« Sie gibt dem Jungen etwas zu trinken, und er wird ruhiger. Sie sieht Charlotte keck an und fragt leise: »Ist Doktor Sahib lieb zu dir?«
»Ja, er ist lieb zu mir.«
»Wirklich lieb?« Ihre Hand gleitet von ihrem Brüderchen zu ihren Brüsten, die sie zärtlich streichelt. »Ist er lieb zu dir?« fragt sie noch einmal mit nachdrücklicher Betonung.
Charlotte kann nicht lügen, ihr Gesicht spricht Bände.
»Oje«, kräht Chutki, »er ist nicht lieb zu dir?«
Im Bett neben ihnen, auf dem eine ältere Tante liegt, die interessiert zuhört, wird der Schrei wiederholt. »Oje, Doktor Sahib ist nicht lieb zu ihr …!«
Binnen weniger Sekunden ist ihr Doppelbett so belagert, daß Charlotte nicht mal die Beine bewegen kann. »Doktor Sahib ist nicht lieb zu ihr?« wiederholen alle erschüttert. Mißbilligendes Zischen ist zu hören.
»Du mußt dieses Parfum nehmen«, sagt eine Frau mit vielen klimpernden Armreifen und drückt ihr einen winzigen Flakon in die Hand.
»Putzt du dir die Zähne gut?« fragt eine Frau mit langen Ohrringen und zieht Charlottes Oberlippe hoch.
Die Frauen nicken beifällig.
»Er muß ein rohes Ei essen«, kichert eine Frau mit schwarz umrandeten Augen.
»Du darfst ihm das Essen nicht zu spät servieren, sonst ist er zu müde. Und die Eier muß er tagsüber essen, das wirkt«, betont eine Frau in einem Pyjama.
»Trag ein Kleid mit tiefem Ausschnitt«, sagt eine Frau und preßt ihre Brüste so zusammen, daß dazwischen ein herausfordernder Schlitz entsteht.
»Hat er eine andere?« fragt eine Stimme vom nächstgelegenen Bett.
Alle Frauen beginnen zu lachen. Charlotte macht ein erschrockenes Gesicht, daran hat sie noch nie gedacht. Er kommt immer spät nach Hause und will dann gleich schlafen gehen.
»Nein, Doktor Sahib liebt dich, er muß es einfach noch lernen«, beruhigt Chutki sie.
Die Frauen prusten los. »Doktor Sahib kann operieren, aber keine Babys machen!«
Der Kleine beginnt wieder zu weinen, als die Frauen so ausgelassen lachen.
»Wann operiert Doktor Sahib ihn?« seufzt die Frau im
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