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Warten auf den Monsun

Warten auf den Monsun

Titel: Warten auf den Monsun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Threes Anna
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bei jeder Straßenbiegung Angst, daß sie aus der Kurve fliegen.
    »Frauen gehören nicht in Autos«, brummt der General zufrieden dem Chauffeur zu.
    Schon von weitem ist eine große Rauchwolke zu sehen. Als sie hinter dem Feuerwehrwagen stoppen, schlagen hohe Flammen aus dem Dach eines Hauses. Der General stößt die Tür auf. Charlotte befürchtet einen Moment, daß er seine Behinderung vergessen hat, aber er wartet ungeduldig, während der Chauffeur den Rollstuhl so schnell er kann aufklappt.
    »Vater, bitte laß das sein, du stehst den Feuerwehrleuten im Weg.«
    »Ich kann gar nicht stehen.«
    Neben ihrem Auto werden die Schläuche ausgerollt. Der Feuerwehrkommandant, mit einer Reihe Orden auf der Uniform, kommt auf den General zu und schüttelt ihm die Hand. »Alles in Ordnung, General?«
    »Ach, Hauptmann, Sie wissen noch nicht, was alt werden bedeutet. Mein Gedächtnis läßt nach, und darunter wird es auch nicht besser, aber sonst kann ich nicht klagen.«
    Die Schläuche werden an den Wassertank gekoppelt, und die Pumpe läuft auf vollen Touren. Der Chauffeur setzt den General in den Rollstuhl. Der Kommandant entschuldigt sich – er muß löschen. Charlotte bleibt im Wagen sitzen, sie spürt die Hitze des Feuers auch noch, als sie das Fenster hochdreht. Sie mag es nicht, bei einem Feuer zuzuschauen, für diese Obsession ihres Vaters kann sie kein Verständnis aufbringen. Als sie noch ein kleines Mädchen war, nahm er sie einmal mit, als ein großes Lagerhaus in Flammen stand, und wurde furchtbar wütend, als sie sich die ganze Zeit die Augen zuhielt. Sie tat es nicht, weil sie das Feuer nicht sehen wollte, sondern weil er nicht sehen sollte, daß sie weinte.
    Dann setzt ihr Herzschlag aus. Mit einer Axt geht ein junger Feuerwehrmann vor dem Auto vorbei. Er hat sie nicht gesehen, sie hat ihn sofort erkannt. Er nickt dem General zu, läuft zur Tür des brennenden Hauses und schlägt mit der Axt darauf ein.
    Sie möchte aus dem Wagen springen, rufen, er soll es nicht tun, es ist gefährlich, er darf nicht hineingehen, durch die Hitze und den Rauch kann man die Orientierung verlieren, und man findet den Ausgang nicht mehr, er kann ersticken, oder der Rauch kann giftig sein, seine Lunge kann verbrennen, sein Anzug Feuer fangen, auch wenn es ein Schutzanzug ist. Er braucht niemanden zu retten, das soll der Kommandant mit seinen ganzen Orden tun, der hat viel mehr Erfahrung. Warum mußte ausgerechnet er Feuerwehrmann werden, den gefährlichsten Beruf ergreifen, den es gibt? Warum er?
    Der junge Bursche hört ihre Stoßgebete nicht, schlägt ein Loch in die Tür, zieht sich die Gasmaske vors Gesicht und geht ohne zu zögern ins Haus. Sie will die Augen schließen, aber starrt ohne auch nur zu blinzeln auf das Loch in der Tür. Die Flammen lodern nun auch aus den Fenstern, und im Auto wird es erstickend heiß. Sie ruft alle Götter an, die sie kennt, zweifach, fünffach, hundertfach. Sie verflucht sich für ihre Feigheit, ihre Niedertracht. Sie will alle Uhren zurückdrehen mit einem Tempo, das jede Erinnerung auslöscht, vor allem die große Uhr im Treppenhaus. Warum geht niemand anders hinein, warum nur er? Jemand muß ihm helfen. Vielleicht findet er den Weg nicht mehr, vielleicht kann er nicht mehr atmen. Hört ihr ihn nicht rufen? Er steht in Flammen. Charlotte hält es nicht mehr aus und öffnet die Tür, die Hitze drückt sie ins Auto zurück, sie kann kaum aussteigen. Sie will nach dem Kommandanten rufen, als sie in der Haustür zwei Hände mit Handschuhen sieht, die ein kleines Mädchen halten. Der Kommandant nimmt das Mädchen entgegen, und der junge Mann klettert aus dem Loch. Keiner beachtet ihn, alle Augen sind auf das Mädchen gerichtet.
     
    Der Krankenwagen schließt die Türen, einer der Sanitäter springt ans Steuer und braust los.
    »Das war in letzter Sekunde«, sagt der General.
    »Ja, es hätte keinen Moment länger dauern dürfen«, sagt der Kommandant. »Ich hoffe, daß sie keine Alpträume davon zurückbehält.«
    »Ach, das gibt sich, sie ist ja noch klein«, sagt der General.
    Der Feuerwehrkommandant sieht den Mann im Rollstuhl an. Dieser alte englische Militär, der bei fast jedem Feuer auftaucht, ist ihm ein Rätsel.
    »Dieser Parvat ist ein Gewinn«, sagt der General.
    »Ja, ein mutiger Bursche.« Der Kommandant nickt dem jungen Mann zu, der einen schweren Gummischlauch packt und auf das Haus richtet. »Irgendwie hat er was von Ihnen.«
    Der General strahlt und denkt zufrieden an seine

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