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Warten auf den Monsun

Warten auf den Monsun

Titel: Warten auf den Monsun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Threes Anna
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von Adeeb Tata fuhr übers Wochenende mit ihren Kindern in ihr Sommerhaus in den Bergen. Sie wollte, bevor sie am Abend losfuhr, ein Bügelbrett für den Darsi vorbeibringen. Fast alle Frauen aus dem Club fuhren im Sommer, wenn es sich irgendwie ermöglichen ließ, in die Berge, fort von der flimmernden Hitze. Charlotte konnte es sich nicht mehr erlauben, also lag sie große Teile des Tages lustlos und schwitzend auf ihrem Bett in dem abgedunkelten Haus. Hema schloß jeden Morgen gleich nach Sonnenaufgang die Fenster und Läden, so daß die alles versengende Sonne nicht eindringen konnte. Charlotte blickte auf den sich hypnotisierend drehenden Ventilator über ihrem Bett. Ihre Gedanken schweiften zu dem alten Punkah-wallah zurück, den sie früher hatten. Pausenlos mußte er den großen Fächer bewegen. Oft band er sich die Schnur an den großen Zeh, und manchmal döste er dabei ein. Wenn der General es merkte, weckte er ihn grob und drohte dem Mann mit sofortiger Entlassung, worauf der kleine Inder wie besessen an dem Seil zog und es im Raum wieder kühler wurde. Aber wenn nach dem Lunch die Mägen gefüllt waren und das Thermometer den höchsten Stand erreicht hatte, schliefen alle ein, sogar ihr Vater und folglich auch der Punkah-wallah. Charlotte fielen die Augen zu, und ihre Erinnerungen verwandelten sich in Träume.
     
    Aus tausend Metern Meerestiefe gluckerte ein Geräusch nach oben, das sie weckte. Es dauerte einen Moment, bis ihr bewußt wurde, daß sie nicht in einem U-Boot eingeschlossen war, sondern daß es an der Tür läutete. Sie horchte und fragte sich, wer so verrückt sein mochte, zu dieser Tageszeit draußen vor ihrer Tür zu stehen – die Frau von Adeeb Tata würde nie vor Einbruch der Dunkelheit erscheinen. Wieder läutete es. Sie vermutete, daß sich Hema trotz seiner anderslautenden Arbeitszeugnisse wie alle anderen zu dieser Stunde im Tiefschlaf befand. Seufzend kroch sie unter dem Moskitonetz hervor. Die Hitze hatte das Haus erobert und sich wie eine feuchtwarme Decke über sie gebreitet. Ihre Gliedmaßen wollten ihr nicht gehorchen, sie waren wie durch einen Zauberspruch fast gelähmt. Träge bewegte sie sich zur Treppe. Die Uhr tickte langsam, und sogar das Holz des Geländers schwitzte.
    Charlotte legte die Hand auf den Türknopf. Jede Zelle in ihrem Körper schien zu rufen: Laß die Tür zu! MACH NICHT AUF! MACH NICHT AUF! Sie drehte den Knopf um und zog die knarrende Tür mit Mühe auf.
    Das gleißende Sonnenlicht blendete sie, und siedendheiße Luft strömte herein. Sie wollte die Tür gleich wieder zuschlagen, als sie die Konturen eines Körpers wahrnahm. Völlig gegen ihre Prinzipien – einen Fremden läßt man nicht einfach ein – sagte sie: »Kommen Sie schnell rein.« Sie trat zurück in den Schatten. Die Person, die verkohlt sein mußte, trat ins Haus ein. Mit einem Knall schloß Charlotte die Tür. Sie sah nicht, wen sie eingelassen hatte, es war dunkel in der Halle, und die grelle Sonne hatte weiße Lichtflecken auf ihrer Netzhaut hinterlassen.
     
    Der Sekretär des Clubs hatte Madan eröffnet, daß er in dem großen Haus auf dem Hügel hinter der Hauptstraße arbeiten werde. Er hatte sein Rad, das an der Hauswand des New Rampur Club lehnte, stehenlassen, um wie alle ein Mittagsschläfchen zu halten. Aber der Gärtner hatte ihm unmißverständlich klargemacht, daß sich nur Clubmitglieder auf dem Gelände aufhalten durften, also war Madan auf sein Rad gestiegen und mit einem Tempo, als mache ihm die brennende Sonne nichts aus, losgefahren.
    Das letzte Stück den kleinen Hügel hinauf war mühsam gewesen, aber das Kolonialhaus mit den dicken Mauern und geschlossenen Fensterläden lockte. Madan liebte Häuser – nachdem er jahrelang auf der Straße geschlafen hatte, immer in der Angst, ausgeraubt zu werden, hatte er gelernt, daß es sich ganz anders schläft, wenn um einen herum Mauern sind. Auf der Straße hatte er nie geträumt, immer nur wenige Minuten geschlafen, um gleich wieder aufzuwachen, sich zu vergewissern, wer oder was da war, und dann wieder kurz einzudösen. Wenn er von Wänden umgeben war, nahm ihn der Schlaf zu unbekannten Ländern und Menschen mit. Er lehnte das Rad mit der Nähmaschine unten an der Treppe an eine kleine Säule, auf der keine Statue mehr stand, und ging hinauf zu der großen Tür.
    Das Haus hatte von weitem einen sehr vornehmen und wohlhabenden Eindruck gemacht, aber nun sah er, daß der Marmor der Treppenstufen gesprungen war und daß die

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