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Warten auf den Monsun

Warten auf den Monsun

Titel: Warten auf den Monsun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Threes Anna
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Dienstboten.«
    »Nicht so wie wir auf die englische Art?« fragte die Frau von Ajay Karapiet schockiert. »Woher weißt du das?«
    »Das hat mir mein Koch erzählt«, sagt die Frau von Nikhil Nair.
    »Aber dann trinkt sie ihren Tee doch auch mit Milch?«
    »Ja, sag ich doch, aber gekocht! Das hat keine Auswirkung auf die Zähne.«
    »Also ich meine, daß es egal ist, ob die Milch gekocht ist oder nicht, von Milch kriegt man starke Zähne, das habe ich von meinem Vater gelernt, und der hat es vom General, mit dem er im Tenniskomitee war.«
    »Ja, mit General Bridgwater mußt du jetzt auch noch kommen.«
    »Wie klappt es wohl mit dem neuen Darsi im Haus?«
    »Ich finde den Mann seltsam.«
    »Irgendwie hat er was.«
    »Was ist heute mit dir los? Du findest plötzlich alle Leute nett und apart, bist du vielleicht verliebt?«
    Die Frau von Ajay Karapiet wird rot: »Nein, natürlich nicht.«
    »Na zum Glück, ich halte nichts von Frauen, die außer Haus waschen.«
    »Ich habe eine eigene Waschmaschine.«
    »Das meine ich nicht.«
    »Was meinst du dann?«
    »Ich sage, daß ich nichts mit Frauen zu tun haben will, die … ähm … du weißt schon, so wie Brinda.«
    Die Frau von Ajay Karapiet schlug die Hände vors Gesicht. »So was würde ich niemals tun.«
    »Nein, das weiß ich.« Sie hielt ihrer Freundin die Schale mit Keksen hin, aber die schüttelte den Kopf. Sie selbst nahm wie immer noch einen zweiten.
    »Und wenn Priya Singh einen Liebhaber hätte? Sie ist doch auch schon seit fünfzehn Jahren Witwe.«
    »Priya Singh!?« Die Frau von Nikhil Nair verschluckte sich an ihrem Keks und hustete. »Nie und nimmer, die schläft doch ständig. Wie sollte die einen Liebhaber haben?«
    »Charlotte Bridgwater war dreiundzwanzig, als sie ihren Mann verlor«, sagte die Frau von Ajay Karapiet mit einem traurigen Klang in der Stimme.
    »Ja, deshalb sag ich doch, es ist merkwürdig, daß sie nie wieder geheiratet hat.«
    »Hier gibt’s keine Engländer mehr.«
    »Sie kann doch auch einen von uns heiraten.«
    »Einen von uns?«
    »Ja, warum nicht? Jetzt spiel nicht plötzlich die Antikolonialistin, dein Ururgroßvater war doch auch ein Brite, der eine Bengalin geheiratet hat, und der Großvater von Alok Nath, dem Goldschmied, war ein Schotte und hatte eine Frau aus Orissa.«
    »Ja, aber das waren Männer.«
     
    »Heute vormittag wurde in der Nicholas Lane in London ein Kurier von Sheppard’s Effektenhandel von einem Mann überfallen, der ihn mit einem Messer bedrohte. Der Räuber, der ein dunkles Tweedjackett und eine Mütze aus demselben Stoff trug, ergriff die Aktentasche und entkam. Der Überfall ist der größte Straßenraub, der jemals verübt wurde. Die Aktentasche enthielt fast dreihundert Inhaberschecks im Wert von 292 Millionen Pfund.«
    Charlotte seufzte. Mit soviel Geld könnte sie im ganzen Haus eine Klimaanlage installieren lassen.
    »Ein Team japanischer Erdbebenforscher«, fuhr der BBC -Nachrichtensprecher fort, »hat auf einem Kongreß in São Paulo bekanntgegeben, daß sie ein Gerät entwickelt haben, mit dem   …«
    Sie schaltete das Radio aus und versuchte sich wieder auf ihr Buch zu konzentrieren. Jedesmal, wenn sie am Ende der Seite war, merkte sie, daß sie nichts gelesen hatte. Sie gab der erstickenden Hitze die Schuld, die jeden Tag schlimmer wurde. Der Wind und die grauen Wolken, die sonst den Monsun ankündigten, wollten sich einfach nicht zeigen, und sogar die Krähen auf dem Grundstück waren schlapp und träge. Nur dem Kuckuck schien es, wie dem Schneider, nichts auszumachen. Sie drückte sich die Lesebrille fester auf die Nase, rückte etwas näher ans Licht und begann wieder oben auf der Seite. Wenn Peter noch leben würde, dachte sie unvermittelt , wo würden wir dann wohnen? Wären wir nach England zurückgegangen? Das kalte, graue England, wo nie die Sonne schien, kam ihr plötzlich wie ein paradiesischer Ort vor. Dann wäre alles anders gekommen. Alles! Sie schüttelte den Kopf, um den Gedanken zu verbannen. Der Rubin muß zum Juwelier, ich darf ihn nicht zu lange im Haus behalten, ich muß ihn von mehreren Juwelieren taxieren lassen, ich muß Sita noch Geld geben. Sie versuchte zu ihrem Buch zurückzukehren, aber ihre Gedanken machten sich selbständig. Das Geld, das ich Hema heute morgen gegeben habe, um die Rechnung beim Kaufmann zu bezahlen, war das eigentlich nicht ein bißchen viel? Versucht er vielleicht, wie der Koch früher, beim Einkaufen immer einen kleinen Extralohn für sich

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