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Warten auf den Monsun

Warten auf den Monsun

Titel: Warten auf den Monsun Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Threes Anna
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draußen? Soll ich die Löcher wieder zustopfen?«
    Madan blickt schuldbewußt auf seine Füße.
    »Hier ist noch eine andere Hose, also Beeilung.«
    Madan schlüpft flink in die Kiste und macht sich an die Arbeit.
     
    ***
     
    »Geht es dir jetzt besser?« Charlotte legt die Hand auf Peters Arm und merkt, daß er wieder zittert. »Wir müssen einfach abwarten.«
    »Ich will nicht mehr abwarten. Ich will weg.«
    »Noch ein Tag, einen Tag kannst du doch noch durchhalten?«
    Peter zittert noch mehr.
    »Wollen wir ein paar Schritte gehen?«
    Erschrocken blickt er auf. In seinen Augen liest sie die Angst, die jeden Tag wächst und von der sie befürchtet, daß sie sich eines Tages mit Gewalt einen Weg bahnen wird.
    »Einfach einen kleinen Spaziergang machen?«
    Er rollt sich zusammen wie ein kleines Kind und verbirgt den Kopf zwischen den Armen. Charlotte streichelt ihn sanft, aber das Zittern wird nur noch schlimmer. Das Haus, in dem sie seit einem halben Jahr wohnen, ist viel luxuriöser und größer als das Haus in Neu-Delhi. Als er die neue Stelle in der Universitätsklinik von Bombay annahm, hatte sie gehofft, daß nun alles besser würde, aber von dem Moment an, als sie die Koffer auspackten, ging es schief.
    »Laufen ist gut, haben sie gesagt. Komm, wir versuchen es, dann vergeht die Zeit auch schneller.«
    Peter sieht sie mit flehendem Blick an. Charlotte legt seine Hand auf ihre und steht auf. Sie setzt ihn nicht unter Druck, sie wartet. Ganz langsam setzt sich Peter und klettert dann vom Bett, den Rücken gebeugt, die Augen auf den Boden gerichtet. In den sechs Jahren, die sie nun zusammen sind, hat er sich von einem gutaussehenden Offizier in einen alten Mann verwandelt. Die Haare sind ihm zum Teil ausgefallen, seine Augenlider zittern unaufhörlich, und sie schlafen schon lange in getrennten Betten. Oft denkt sie an die eine Liebesnacht zurück, mit der alles angefangen hat. Wenn ihr Vater sie nicht erwischt hätte, wäre sie wahrscheinlich nicht mit ihm verheiratet, es wäre bei der einen Nacht geblieben, und beide wären ihre eigenen Wege gegangen.
    Die Hausangestellten sehen erstaunt zu, wie Memsahib den Doktor Sahib nach draußen führt. Charlotte hakt sich bei Peter unter, Schritt für Schritt gehen sie auf die Straße. Peter ächzt und keucht leise. Die Sonne ist fast untergegangen, und eine frische Meeresbrise strömt in die Stadt. Eine Straßenbahn fährt vorbei.
    »Ich hätte dich nicht heiraten sollen«, sagt Peter plötzlich.
    Sie gehen weiter. Die Bemerkung tut Charlotte mehr weh, als sie gedacht hätte. Sie selbst hat es unendlich oft gedacht, aber nie auszusprechen gewagt.
    »Ich habe dich unglücklich gemacht. Ich weiß es. Ich sehe es.«
    Die Straße nimmt kein Ende, und die dunklen Baumwipfel über ihrem Kopf findet sie beklemmend, sie will Licht sehen, das letzte bißchen Sonnenlicht des Tages. Ohne daß einer von ihnen deutlich in eine Richtung steuert, biegen sie in eine Nebenstraße ein. Die Häuser sind niedriger, vor einigen Fenstern flattert Wäsche. Der Druck auf ihren Arm läßt nach, es ist, als bringe Peters Geständnis ihm Erleichterung. Händler sitzen vor ihren Läden und rauchen oder plaudern mit ihren Nachbarn. Die ersten Gaslaternen werden angezündet. Ganz ruhig gehen sie in eine Straße hinein, aus der anderen heraus. Schweigend laufen sie weiter.
    »Haben wir noch Koriander im Haus?«
    Charlotte wundert sich einen Moment, schüttelt dann den Kopf. Peter geht zu einer alten Frau, die auf der Straße hinter einem großen Haufen Koriander sitzt. Charlotte traut ihren Augen kaum. Er nimmt ein Büschel und riecht daran. Er unterhält sich mit der Frau. Er fischt eine Münze aus der Hosentasche und bezahlt. Die Frau packt das Kräuterbüschel in ein Stück alte Zeitung und reicht es ihm.
    »Gehen wir jetzt nach Hause?« Seine Stimme klingt auf einmal erschöpft. Er faßt seine Frau am Arm und zieht sie mit sich.
    »Hast du das gesehen?«
    »Was?« fragt er, seine Stimme hat wieder alle Farbe verloren.
    »Ach, ist schon gut.« Charlotte hat begriffen, daß sein Aufleben nur von kurzer Dauer war und daß der Anblick des Kindes, das sie gerade in einer ganz kleinen Kiste zu Füßen eines dicken Schneiders bei der Arbeit gesehen hat, bei ihm keine Erschütterung auslösen würde.

1995
Rampur
     
     
     
    Irgendwo im Haus mußte noch ein Stück Stoff sein. Sie war sich ganz sicher. Hema zu fragen wäre sinnlos, er würde sagen, daß alles weg sei und Suchen keinen Zweck habe. Sie

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