Warum Burnout nicht vom Job kommt. - die wahren Ursachen der Volkskrankheit Nr. 1
mir vorbeigerast und ich war im Stressmodus. Der ganze Druck hatte sich viel zu lange aufgebaut, als dass ich jetzt einfach hätte runterschalten können.
Als ich dann endlich im letzten ICE dieses Abends saß und er langsam aus dem Bahnhof glitt, ließ mich mein Gedankenkarussell immer noch nicht zur Ruhe kommen. Bis ich die wohltuende Stille im Abteil wahrnahm. Richtig! Ich hatte vollkommen vergessen, dass ich mir für die Rückfahrt einen Platz in einem als Ruhezone ausgewiesenen Wagenteil reserviert hatte. Hier herrschte Handyverbot. Selbst Gespräche unter Sitznachbarn fanden ganz leise statt. Da saß ich nun und hatte sieben Stunden Zugfahrt in völliger Ruhe vor mir – und fand das großartig! Ich spürte förmlich, wie der Druck von mir abfiel und meine Schultermuskulatur sich entspannte. Keine Versuchung, noch schnell die eine oder andere Mail zu beantworten, kein fortgesetzter Termindruck. Ich hätte nun noch etwas Schreibkram erledigen können, doch die Erfahrung dieser Stille hatte den Effekt, dass ich überhaupt nichts mehr tun wollte. „Genug ist genug und heute mache ich gar nichts mehr!“, sagte ich mir und genoss den Augenblick. Vollkommen erholt und frisch kam ich spätnachts in Hamburg an – bereit für den nächsten Tag.
Sollen wir Stress überhaupt vermeiden? Natürlich nicht. Es gibt nämlich Tretmühlen und Hamsterräder. Im täglichen Sprachgebrauch werden beide Geräte leider immer durcheinandergebracht. Dabei ist das eine ein Sportgerät und das andere geradezu ein Folterinstrument. Eine Tretmühle sieht aus wie ein großes Mühlrad, das durch Wasserkraft angetrieben wird. Das Dumme ist nur, dass an den Stellen, an denen es gebaut wurde, kein Wasser als Antriebskraft zur Verfügung stand. Dafür aber Strafgefangene sowie Vagabunden und Bettler, die von der Straße aufgelesen wurden. Sie wurden zu mehreren nebeneinander in ein Gestell über der Tretmühle getrieben, manchmal sogar dort angekettet, und mussten den ganzen Tag lang mit ihren Füßen die Sprossen treten und so das Mühlrad antreiben. Verletzungen waren nicht selten: Wenn einer von ihnen sich vor Erschöpfung nicht mehr halten konnte, kam er buchstäblich unters Rad.
Ein Hamsterrad dagegen ist etwas Tolles: Es ist ein Sportgerät, sozusagen ein Laufband, in das der Hamster ganz nach Belieben ein- und aussteigen kann. Wenn ihm langweilig ist, wenn er schnell sein will, wenn er leisten will, rennt er im Rad, bis die Speichen krachen. Wenn er genug hat und eine Pause braucht, hungrig oder durstig ist, steigt er aus und überlässt das Rad sich selbst. Von Tierquälerei kann also nicht die Rede sein. Ganz im Gegenteil: Ein Hamster in einem Käfig ohne Laufrad würde gravierende Verhaltensstörungen entwickeln. Wenn ein Hamster schon von Menschen gehalten werden soll, dann wenigstens mit Hamsterrad! Es gibt mittlerweile sogar Prachtexemplare mit Kugellager und bienenwachsbehandelter Lauffläche ...
Das Merkwürdige: Viele Menschen glauben sich in dem Folterinstrument einer sich immer schneller drehenden Tretmühle angekettet, dabei laufen sie in einem Hamsterrad, dessen Geschwindigkeit sie selbst bestimmen und das sie frei und jederzeit verlassen können. Sie erkennen nicht, dass sie bremsen, aussteigen, einsteigen, beschleunigen können, ganz wie sie es wollen. Wie kommt es nur, dass sie aufgehört haben, über ihr Leben selbst zu bestimmen?
Wie man Ja zum Neinsagen lernt
Die promovierte Kommunikationswissenschaftlerin Miriam Meckel schrieb 2007 ihr vielbeachtetes Buch „Das Glück der Unerreichbarkeit – Wege aus der Kommunikationsfalle“. Darin gibt sie viele gute Tipps, wie man aus dieser Falle herauskommt. Zwei ihrer Grundansichten lauteten: „Wer technisch angeschlossen ist, ist nicht zwangsläufig auch sozial angebunden“ und: „Wer immer erreichbar ist, ist eigentlich für nichts und niemanden wirklich da.“
Miriam Meckel forderte in diesem Buch ausdrücklich: Die Arbeit hat in der Freizeit nichts zu suchen. Im Zeitalter von Handys, E-Mail und Internet plädierte sie für ein bewusstes Abschalten der digitalen Zeitdiebe, die unser Leben ungefragt bestimmen.
Endlich jemand, der die Dinge beim Namen nannte und der Arbeitsverdichtung den Kampf ansagte! Frau Meckel wurde von Talkshow zu Talkshow gereicht, hämmerte auf allen Kanälen den Menschen ein, endlich auch einmal Nein zu sagen. Sie machte den Lesern und Zuschauern bewusst, wie gefährlich die Anforderung an die eigene Person sei, jederzeit und überall zur
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