Warum Burnout nicht vom Job kommt. - die wahren Ursachen der Volkskrankheit Nr. 1
und zu Hause bleiben darf, hat es gut. Da können sie entspannt sein und haben ein leichteres Leben. So einen Haushalt macht man doch mit links.“
„Das bisschen Haushalt macht sich von allein, sagt mein Mann“, sang Johanna von Koczian 1977 und nahm damit das schon damals überholte Frauenbild der 1950er-Jahre ironisch aufs Korn: „Die Frau Gemahlin ruht sich aus zu Haus, sagt mein Mann. Dass ich auf Knien meinem Schöpfer danken kann, wie gut ich’s habe, sagt mein Mann.“ Aber ich frage mich: Hat sich in den Köpfen der Menschen seitdem irgendetwas grundlegend verändert? Auch heute noch geht der größte Teil der Gesellschaft davon aus, dass Hausfrauen und Mütter sich ihre Zeit frei einteilen können, dass keine Leistungsvorgaben von außen an sie herangetragen werden und sie somit doch ihren Alltag selbstbestimmt und entspannt organisieren könnten. Zu Hause bleiben? Wie angenehm!
Keinen Chef, keine Vorgaben, kein Druck. Hausfrauen haben sich außerdem überwiegend freiwillig in ihre Lebenssituation begeben – das müsste doch der Himmel auf Erden sein ... Warum aber tauchen Hausfrauen trotzdem in meinen Burnout-Seminaren auf – und stellen in der Studie der Techniker-Krankenkasse sogar die größte Stressgruppe? Da kann doch etwas nicht stimmen! Müssten nicht eigentlich die Börsenmakler oder Bankmanager mehr Stress haben als Hausfrauen?
In den 1950er-Jahren der Griff zur „Frauengold“-Flasche, heute das Burnout-Seminar. Irgendwie haben wir in den vergangenen 50 Jahren auf dem Feld der Hausarbeit keine sonderlich großen Fortschritte gemacht. Ich frage mich also: Was ist es denn genau, was die Hausfrauen so unglücklich macht?
Ein Beispiel: Ariane Mettmann war nach langem Warten endlich schwanger geworden. Die 33-jährige Lektorin hatte sich sehr auf das Kind gefreut. Nun war die kleine Tochter da, und es fiel der ehrgeizigen Frau überraschenderweise gar nicht schwer, sich von den Kollegen zu verabschieden und den Arbeitsalltag hinter sich zu lassen. Nun stürzte sie sich mit Elan in ihre neue Aufgabe als Mutter.
Keine Fachliteratur blieb ungelesen. Sie wusste alles über die perfekte Ernährung für Kinder, hatte feste Vorstellungen von einer kindgerechten Gesundheitsvorsorge, suchte schon während der Schwangerschaft nach Gruppen, wo die Fähigkeiten der Kinder bereits im Säuglingsalter bestmöglich gefördert wurden. Babybrei gab es niemals gekauft aus dem Supermarkt, sie kochte alles selbst. Dazu wurden nur die besten Zutaten verwendet, auch wenn sie dazu zwei Stadtteile weiter fahren musste, um den ihrer Recherche nach besten Biobauernmarktstand aufzusuchen.
Ariane Mettmanns Tag war angefüllt. Sie gab 130 Prozent ihrer Kraft für ihr Kind und ihre Familie. Doch abends saß sie nach einem 16-Stunden-Tag ohne Ruhephasen und mit einer weiteren unruhigen Nacht vor Augen frustriert am Esstisch und lauschte den Erzählungen ihres Mannes, der von seinem Büroalltag berichtete. Sie war so neidisch! All die Impulse, die ihr Mann genießen konnte und die ihr versagt blieben. Frustriert registrierte sie, dass ihre ganze Arbeit, ihr ganzer Einsatz nichts Mess- und Vorzeigbares zustande brachte. Der Korb mit der Schmutzwäsche war schon wieder gefüllt, in der Küche stapelte sich schon wieder das schmutzige Geschirr, das gebadete Kindchen hatte schon wieder die Windeln voll.
Lob und Anerkennung, wie es ihr Mann für ein gelungenes Projekt von seinem Chef bekommen hatte, konnte sie nicht erwarten. In ihrem Alltag war es schon toll, wenn die Nachbarin mal in den Kinderwagen hineinschaute und säuselte: „Was für ein hübsches Baby!“
Aber das passierte zum einen viel zu selten und zum anderen wog es nicht all die Arbeit auf. Kein Mensch konnte sehen, dass das Kind nur Selbstgekochtes bekam. Keiner bemerkte, wie sorgfältig sie die Kinderkleidung aussuchte. Keiner wusste, wie sorgfältig sie sich vorbereitet und weitergebildet hatte, um als Mutter nicht zu versagen. Sie war chronisch unzufrieden, denn sie schaffte es nicht, irgendjemanden zufrieden zu machen und diese Zufriedenheit gespiegelt zu bekommen. Ihr fehlte der Werkstolz, der berechtigte Stolz auf das Ergebnis einer guten Leistung. Sie schuftete den ganzen Tag, ohne abends sehen zu können, was sie geschafft hatte.
Der Werkstolz ist in der Kindererziehung naturgemäß sehr langfristig angelegt und liegt auch dann nicht komplett in den Händen der Eltern – schließlich haben sie letztendlich nur einen eingeschränkten Einfluss
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