Warum Burnout nicht vom Job kommt. - die wahren Ursachen der Volkskrankheit Nr. 1
Verausgabung. Die andere Möglichkeit: Er konzentriert sich auf seine traditionelle Männerrolle und erfährt im Gegenzug weibliche Missgunst. Er hat die Wahl. Was für eine Wahl ...
Welch großartiges Angebot machen wir den Männern da!
Doch auch für die Frauen ist die gesellschaftlich erkämpfte und gewonnene Freiheit nur eine vordergründige. Für Frauen ist es attraktiver, in männliche Bereiche hineinzugehen, weil diese anerkannter sind und besser bewertet werden. Wenn eine Frau Karriere macht, kann sie das aber nicht mit ihren weiblichen Zügen schaffen, sondern muss sich im Männerterrain nach männlichen Spielregeln behaupten.
Allerdings endet ihre Rolle damit ebenfalls nicht. Denn sie wird zu Hause deshalb ja nicht überflüssig, denn weder kann der Partner den Haushalt und die Kindererziehung so übernehmen, dass Frau und Kind zufrieden sein werden, noch bleibt der Frau der Ausweg, ihre hohen Ansprüche einfach aufzugeben. Frauen sind gut darin, soziale Systeme zu erfassen und zu beeinflussen, insbesondere die Familie. Und sie können nicht einfach die Augen und Ohren zumachen, nur weil sie jetzt auch Verdienerinnen sind. Aber wie soll das nur alles gleichzeitig unter einen Hut zu bringen sein? Im Job männlich, zu Hause weiblich, und alles Vollzeit? Welch grenzenlose Überforderung muten wir den Frauen da zu?
Die klaren Geschlechterrollen lösen sich also auf. Und wie aus den einfachen Grundfarben Blau, Gelb und Rot durch Mischung das Farbspektrum entsteht, so ist jede und jeder nun aufgefordert, seine ganz persönliche Mischung zu gestalten und seine eigene Farbe in die Welt zu bringen. Nichts ist mehr vorgegeben. Alles muss selbst erarbeitet werden: Welche Werte will ich leben? Welche Rollen will ich spielen? Welche Aufgaben will ich übernehmen? Welche Bedeutung soll mein Leben haben? Und was will ich alles nicht? Das Fatale: Wenn Werte gefordert sind, die ich nicht ausfüllen kann, verlöscht mein inneres Feuer mangels Ressourcen. Noch häufiger wird aber, wenn ich Werte in mir spüre, die nicht gelebt werden können, mein inneres Feuer erstickt.
Bei allem Nachdenken über tradierte Geschlechterrollen und Gleichberechtigung möchte ich ausdrücklich betonen, dass ich nicht glaube, Frauen und Männer seien im Prinzip gleich. Sie haben von Geburt an unterschiedliche Vorlieben und Fähigkeiten, die sie erfolgreich weiter ausbauen, zu Werten entwickeln und als Teil ihrer Identität wahrnehmen. Studien belegen, dass selbst Säuglingsmädchen schon lieber Bilder mit Gesichtern betrachten, wohingegen Jungen lieber auf Mobiles schauen. Solcherart Belege gibt es zuhauf.
Meiner Meinung nach starten Männer und Frauen also von einer unterschiedlichen Ausgangslage. Und das setzt sich fort: Die Mädchen spielen lieber Spiele, in denen es um das soziale Miteinander und um Rollenperspektiven geht. Die Jungen finden sich eher in kämpferischen Konkurrenz-, Gewinner- und Verliererspielen. Selbst in meiner eigenen Familie mit drei Töchtern und einem Sohn, also in einem sehr weiblich geprägten Haushalt, musste ich dem Jungen – kaum, dass er reden konnte – immer Fragen beantworten, wer gerade schneller, größer und besser ist. Ich war fassungslos: Dieser kleine Kerl kannte noch nicht einmal das Geschlechterspiel und fragte trotzdem dauernd diese Wettbewerbsfragen.
Die Unterschiede der Geschlechter spielen schon im Kindergarten eine Rolle. In geschlechtsspezifischen Spielen entwickeln die Kinder ihre Fähigkeiten weiter. Später bauen die Frauen in der Schwangerschaft und der Familiengründungsphase ihre spezifischen Merkmale weiter aus. Während die Männer im Beruf mit Konkurrenz und Erfolg die wettbewerbsorientierten Seiten an sich stärken, fördern Frauen eher Anlagen wie Fürsorge, Rücksichtnahme, Verzicht, Geborgenheit, Authentizität, Gerechtigkeit, Kontinuität.
Die Emanzipationsbewegung hat die tradierten Rollenmodelle in unseren Köpfen abgeschafft, aber sie hat die Geschlechter mit ihren unterschiedlichen Vorlieben und Anlagen nicht grundlegend verändert.
Kein Mensch will die Verhältnisse der vergangenen Jahrhunderte zurückhaben, auch ich nicht. Niemand will die Frau unter der Knute des Mannes sehen, ich selbst am wenigsten. Trotzdem muss ich den Stand der Dinge nüchtern betrachten und feststellen: Uns geht es nicht nur gut mit der Auflösung der Geschlechterrollen. Das Gleich-sein-Sollen stresst, denn wir sind nicht gleich, wir werden im Moment weder den Frauen noch den Männern gerecht.
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