Warum diese Woche völlig in die Hose ging (German Edition)
achtundsiebzig Liegestütze gemacht und ein wenig mit zwei Hanteln trainiert. Das ist jetzt zwei Stunden her, und noch immer schießt das Adrenalin mit Vollgas durch meinen Körper. So viel zu meinem Nachtschlaf. Dabei ist es nicht einmal die Aussicht, dem Checker morgen von Angesicht zu Angesicht gegenüberzustehen, die mir so zu schaffen macht– es ist die Tatsache, dass ich es allein tun werde.
Freitag
Der Jüngste Tag
Die Hinfahrt
Letzte Nacht lag ich um drei immer noch wach, hatte die Augen weit geöffnet und lauschte meinem MP 3-Player, der eine wilde Hard-Rock-Mischung abspielte. Eigentlich wollte ich nur Muse hören, doch leider machte mein MP 3-Player, was er will (das passiert eben, wenn man sich zum Geburtstag einen MP 3-Player wünscht, aber keine bestimmte Marke angibt). Nachdem sich das Gerät eine ganze Weile geweigert hatte, jeden Song länger als zwanzig Sekunden abzuspielen, gab die Festplatte ein quietschendes Geräusch von sich und anschließend den Geist auf. Ich glaube, zwei Minuten später bin ich eingeschlafen.
Wenn ich schätzen müsste, würde ich sagen, dass ich etwa drei Stunden und fünfzehn Minuten geschlafen habe, ehe mein Dad mich geweckt hat. Hätte er gewusst, was mich erwartet, hätte er mich bestimmt friedlich weiterschlafen lassen, bis ich mit Sicherheit den Bus verpasst hätte. Ich liebe meinen Dad. Du lieber Himmel, man darf schon mal ein bisschen gerührt und sentimental werden, wenn man weiß, dass dies vielleicht der letzte Tag des Lebens ist. Ich habe ein bisschen schlechtes Gewissen, dass ich so viel über mich selbst und so wenig über meine Familie geschrieben habe. Aber dafür ist es jetzt wohl zu spät. Außerdem soll das hier ja keine Autobiografie meines gesamten Lebens werden, sondern nur die Beschreibung einer einzigen Woche, in der meine Eltern bisher keine sehr große Rolle gespielt haben.
Wirklich erstaunlich, wie wach ich mich jetzt fühle. Ich hatte vermutet und gehofft, dass ich die gesamte Hinfahrt über schlafen würde, aber das wird wohl nicht der Fall sein. Ich bin hellwach und hochkonzentriert, so wie gestern Morgen. Vielleicht sind dreieinhalb Stunden Schlaf genau richtig für mich, vielleicht ist das die ideale Dosis für meinen Körper und meinen Geist, um anschließend Höchstleistungen zu bringen. Oder ich bin immer noch mit Adrenalin vollgepumpt. So oder so fühle ich mich gesund. Ich fühle mich richtig gut, und ich sage das nicht, um als Macho rüberzukommen oder um mir selbst einzureden, dass ich ein harter Kerl bin. Ich habe wirklich keine Angst. Im Ernst! Nicht weil ich denke, dass sich der Checker am Ende als richtiger Schisser herausstellt, sondern weil ich die Tatsache akzeptiere, dass ich heute entweder zusammengeschlagen werde oder nicht– Angst würde daran nichts ändern. Ich vermute, dass ich mich inzwischen an den Gedanken gewöhnt habe und mir deshalb keine Sorgen mehr mache. Das soll sich jetzt auch nicht zu dramatisch oder larmoyant anhören, aber was habe ich schon zu verlieren?
Sofern Eleanor sich nicht plötzlich in mich verliebt und der Checker mich zehn Minuten später in tragischer Romeo-und-Julia -Manier zu Tode prügelt, sehe ich nicht, wie ein paar Tritte gegen den Kopf den Rest meiner Woche entscheidend beeinflussen werden. Mein Gott, hört sich das makaber an. Aber so ist das nicht gemeint, ich bemühe mich nur um eine möglichst positive Sicht der Dinge– was geschehen wird, wird geschehen. Hakuna matata.
Den gestrigen Tag habe ich durch meine Feigheit verpfuscht. Ich habe gesehen, wie Eleanor sich ausgezogen hat (fast), habe aber nicht ein Wort zu ihr gesagt. Nicht ein Wort! Doch heute ist der letzte Tag dieser Geschichte, und ich werde einen guten daraus machen. Einen Tag, der wirklich was zählt. Ich werde Eleanor ins Gesicht sehen und ihr meine Gefühle offenbaren – aber nicht wie ein peinlicher Schleimer, der ihr versichert, sie mehr zu lieben, als je ein Mensch geliebt hat; der acht Alben mit Zeichnungen und Fotos von ihr gefüllt hat, die er heimlich gemacht hat, seit er sie vor fünf Jahren zum ersten Mal sah; der ihr anvertraut, nicht nur jeden Abend vor dem Schlafengehen an sie zu denken, sondern sich auch mit einem abgeschnittenen Zehennagel, den er für ihren hält, ihren Namen in seinen Bauch geritzt zu haben … nein, ich werde es mehr wie Romeo machen – beherrscht, cool und aufrichtig. Was habe ich schon zu verlieren?
Mit dem Checker werde ich’s ganz genauso machen. Ich werde ihm in die
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