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Warum es die Welt nicht gibt

Warum es die Welt nicht gibt

Titel: Warum es die Welt nicht gibt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Gabriel
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darauf hinaus, dass irgendeine sehr mächtige übernatürliche Person, »Gott«, vor einiger Zeit, »am Anfang«, »Himmel und Erde«, also unseren Planeten und alles, was sich außerhalb seiner Atmosphäre befindet, geschaffen hat. Als Hypothese ist dies allerdings einfach nur falsch, darin ist dem Neoatheismus fraglos zuzustimmen. Es ist Unfug anzunehmen, dass Gott die Erde geschaffen hat, wie ein Automobilhersteller Automobile herstellt.
    Übertreibt man den Naturalismus allerdings, verliert man viele Phänomene aus dem Blick. Staaten zum Beispiel. Sind Staaten etwa übernatürliche Gegenstände, die gegen die Naturgesetze verstoßen? Wenn das Kriterium des Natürlichen darin besteht, dass sich etwas naturwissenschaftlich untersuchen lässt, sind Staaten genauso übernatürlich wie Gott oder die Seele. Ist die Hypothese, dass es Staaten gibt, unwissenschaftlich, also vielleicht sogar reine Willkür, weil sie sich nicht naturwissenschaftlich entscheiden lässt?
Monismus
    Wenn der Naturalismus und das wissenschaftliche Weltbild lediglich von uns forderten, die Wirklichkeit möglichst vorurteilsfrei und methodisch kontrolliert zu untersuchen, wären sie ziemlich leer. An diese Empfehlung halten sich die meisten Menschen, die in Gesellschaften mit echter Meinungsfreiheit leben, ohnehin. Militante Naturalisten und Neoatheisten gehen aber einen guten Schritt weiter und vertreten in der Regel ein Weltbild, das auf einer Form des Monismus beruht. Diese Form ist der materialistische M onismus , der das Universum für den einzigen Gegenstandsbereich hält, den es gibt, und der diesen mit der Gesamtheit des Materiellen identifiziert, das sich allein mit Hilfe der Naturgesetze erklären lasse. Dieser Monismus ist eine substantielle Behauptung, die man begründen muss. Sie geht nicht einfach als selbstverständlicher Glaubensartikel durch. Es geht dem Neoatheismus grundsätzlich um eine einheitliche Gesamterklärung. Es soll ein Überblick über alles, über das Ganze, möglich sein. Und was man dabei angeblich sieht – die Welt, wie sie an sich ist, die Wirklichkeit oder Realität im Ganzen –, soll identisch mit einem gigantischen raumzeitlichen Behälter sein, in dem Elementarteilchen nach Naturgesetzen verschoben werden und sich gegenseitig beeinflussen. Etwas anderes soll es nicht geben.
    Doch wenn dies das wissenschaftliche Weltbild ist, dann ist es aus zahlreichen Gründen ziemlich absurd. Schlimmer als Pumuckl gewissermaßen. Denn Pumuckl gibt es wirklich (etwa in Meister Eder und sein Pumuckl ), die vom materialistischen Monismus beschriebene Totalschau hingegen ist völlig gegenstandslos. Der materialistische Monismus scheitert wie jeder Monismus daran, dass er einen Supergegenstand, die Welt, postuliert, den es aber aus prinzipiellen Gründen nicht geben kann. Dabei ist das wissenschaftliche Weltbild eigentlich gar nicht darauf angewiesen, materialistisch zu sein. Es ist nicht einmal darauf angewiesen, physikalistisch zu sein. Eine vorurteilsfreie, rechenschaftsfähige, rationale und methodische kontrollierte Untersuchung gibt es in allen Wissenschaften, wozu auch die wissenschaftliche Theologie gehört. Diese setzt gerade nicht voraus, dass Gott ein materieller Gegenstand ist, sondern untersucht zunächst einmal Texte sowie ihre Geschichte, bevor sie Behauptungen über Gott aufstellt.
    Ein anders gelagertes, relativ einfaches Argument gegen die Totalschau des materialistischen Monismus geht auf den amerikanischen Logiker und Philosophen Saul Aaron Kripke zurück, der das Argument in seinem Buch Name und Notwendigkeit vorgetragen hat. 44 Es stützt sich auf eine ganz simple Beobachtung. Ein Eigenname wie etwa »Margaret Thatcher« bezeichnet eine Person. Wenn ich sage, Margaret Thatcher war einmal Premierministerin Englands, beziehe ich mich damit auf Margaret Thatcher, die ehemalige Premierministerin Englands. Nennen wir dies in Anlehnung an Kripke eine »Taufszene«. In einer Taufszene wird ein Eigenname mit einer ganz bestimmten Person verbunden. Wenn mich nun jemand fragt, ob Margaret Thatcher noch lebt, sage ich, sie sei 2013 verstorben.
    Doch wie, wenn es eine andere Person gibt, die noch lebt und die auch Margaret Thatcher heißt? Ist meine Behauptung, Margaret Thatcher sei 2013 gestorben, damit falsch? Wohl kaum, denn ich meinte ja Margaret Thatcher, die ehemalige Premierministerin Englands. Kripke nimmt an, dass die Person, auf die ich mich in einer Taufszene beziehe, »starr bezeichnet« wird. Das

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