Warum französische Frauen nicht dick werden (German Edition)
der wichtigen Gründe liegt, warum französische Frauen nicht dick werden.
Kinder bereits mit Wein vertraut zu machen, ist ziemlich typisch für Frankreich. Wir sehen unsere Eltern ein Glas zu jedem Essen trinken und wollen wissen, wie das schmeckt. Gewöhnlich dürfen wir irgendwann zum Sonntagsessen einen Schluck davon probieren, der mit Wasser verdünnt wurde. Manchmal jedoch geht es dabei nicht soharmlos zu. Ich erinnere mich an einige ausgedehnte Essen mit der erweiterten Familie – zur Ersten Kommunion eines Cousins zum Beispiel –, als ein paar der Kinder, hauptsächlich Jungen, warteten, bis sich die Erwachsenen im Garten die Beine vertraten. Das war gleichsam das Stichwort, sich ins Esszimmer zu stehlen, wo sie sich über Gläser und Flaschen hermachten, die nicht ganz leer geworden waren. Es gab noch Champagner, roten, weißen, und Dessertwein – und alles kam in ein großes Glas und wurde so schnell herumgereicht, wie es die kleinen Plünderer nur vermochten. Gewöhnlich dauerte das Trinkgelage nicht lange. Aber lange genug: Als man sie erwischte, war ihnen schon schlecht, und manche spuckten wieder aus, was sie eben erst gegessen hatten. Je früher man es lernt (und beherzigt), desto besser: »Trinke mäßig und nicht zu viel durcheinander.«
Meine erste offizielle Begegnung mit Wein – das soll hier kein Geheimnis sein – fand im Kerngebiet des Champagners statt, etwa eine Stunde von dem Ort in Lothringen entfernt, wo ich aufwuchs. Zwei der besten Freunde meiner Eltern lebten dort: ein Bonvivant und Architekt, der für die Champagner-Hauptstadt dieser Welt Reims arbeitete, und seine zierliche, reizende Frau. Sie war – mit Verlaub – keine besonders gute Köchin und verließ sich voll auf ihren Mann als ihren kulinarischen Retter.
»Mon petit Jésus«
, nannte sie ihn. Wie mein Vater war er Mitglied im Taubenzüchterverein. Die Lions kamen oft zu einem der berühmten
déjeuners du dimanche
meiner Mutter zu Besuch, bei deren Gestaltung Monsieur Lion durchaus seine Kreativität einbringen durfte; er und meine Mutter dachten sich immer noch großartigere Essen aus. Um unsere Gastfreundschaft zu erwidern, luden sie uns und andere Freunde dann nach Reims ein, wo Monsieur Lion meinerMutter die Führung seiner wundervollen Küche übertrug. Tatsächlich gab es zwei Küchen, zwischen denen sie wählen konnte: Auf dem großen Anwesen standen ein Haupthaus und ein Sommerhäuschen. Die Küche im Sommerhaus war ganz weiß gekachelt und in ihrer Einrichtung absolut auf der Höhe der Zeit; die Küche des Haupthauses glich einem Museum, mit einem herrlichen alten Herd, voller Keramik und Krimskrams.
Mamie
liebte beide, und alle waren verrückt nach dem, was sie kochte.
Ein paar Mal im Jahr fuhren wir sonntags bereits frühmorgens los; meine Mutter hatte
carte blanche
, absolut freie Hand, und kochte den ganzen Morgen über
chez Lion
. Wenn die Gäste kamen, gab es dann Champagner, und Monsieur Lion meinte, auch die Kinder sollten
une petite goutte
, einen wirklich winzigen Schluck, probieren. Ich werde es nie vergessen: Erst zeigte er uns, wie man das Glas hielt. Es war kein Wasserglas wie das, in dem wir Kinder zu Hause ab und zu einen mit Wasser verdünnten Schluck Wein bekamen. Das war nicht das richtige Behältnis für den König der Weine! Monsieur Lion wollte uns in eines der großen Rituale der Welt einführen. Stellen Sie sich eine Sechsjährige vor, die eine Champagnerflöte hält: Als ich mit meiner kleinen Kinderhand das Glas oben anfasste, erklärte mir Monsieur Lion, das würde den Champagner erwärmen. Er zeigte mir, wie man das tulpenförmige Glas stattdessen hielt, am Stiel oder beim Fuß. Ich war beeindruckt. Monsieur Lion war nach französischen Maßstäben ein ziemlicher Riese, er trug den reichlich verwirrenden Spitznamen Jésus, und ich hatte mich bis dahin immer leicht eingeschüchtert von ihm gefühlt. Und jetzt plötzlich war der kleine Jésus mein Freund! Und er liebte Champagner! Ich erinnere mich heute noch an meine ersten spannenden Schlückchen aus dem Erwachsenen-Glas:Endlich hatte ich einmal eine tolle Wochenendgeschichte, die ich meinen Klassenkameradinnen am Montag erzählen konnte. Keine von ihnen hatte je Champagner probiert, geschweige denn ein richtiges Champagnerglas gehalten! Das entschädigte mich für all die Wochenenden, die ich zum Pilzesammeln mitgeschleppt worden war – was französische Kinder nicht unbedingt für das Größte halten –, während meine
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