Warum französische Frauen nicht dick werden (German Edition)
sammeln. Es gab immer sechs bis zehn Vorratsgläser mit getrockneten Kräutern, die wir entweder im Wald hinter Großmutters Haus im Elsass gefunden hatten oder in den Sommerferien in der Provence. Meine Großmütter und Tanten erklärten mir alle möglichen Hausmittel:
verveine
(Eisenkraut, mit seinem Zitrusgeschmack) und
tilleul
(Lindenblüte, bekannt für seine hölzerne Note) gab es praktisch zu jeder Gelegenheit, aber besonders nach dem Essen,
camomille
(Kamille mit ihrem blumigen Aroma und dem fast schon an Äpfel erinnernden Geschmack) schlürfte man vor dem Schlafengehen.
Menthe,
Minze, die in Marokko überall getrunken wird (und von da wohl als koloniale Angewohnheit mitgebracht wurde), sollte der Verdauung helfen; und so weiter. Manchmal stellten wir unsere eigenen aromatischen Mischungen zusammen und gaben sie in kleine Säckchen, neben denen die gebleichten Supermarktteebeutel von heute traurig steril und kraftlos wirken.
Während wir an unserem Nachtgetränk nippten, sprachen wir über den nächsten Tag oder etwas Interessantes,von dem der eine oder andere gehört hatte; die Woche über dauerte das Ganze eine Viertelstunde, konnte sich aber am Wochenende, und wann immer wir Gäste hatten, auf Stunden ausdehnen. Kein Essen, nur Schlückchen auf Schlückchen. Besonders gut sind mir die Male im Gedächtnis geblieben, als ich während meiner Pariser Studentenzeit einmal im Monat nach Hause kam. Meine Mutter und ich waren meist die Letzten, die noch wach waren, und wir redeten und redeten bis zwei oder drei in der Frühe über ein paar Tassen
tisane
– und schliefen dann wie die Murmeltiere.
Vivre de pain, d’amour et d’eau fraîche
, lautet ein französisches Sprichwort. Von Brot, Liebe und frischem Wasser leben – einfacher geht es nicht.
Mange ta soupe
Wasser muss, wie gesagt, den ganzen Tag über aufgenommen werden. Suppen stellen eine hervorragende Möglichkeit dar, es unserem Körper zuzuführen, und sind zudem noch äußerst sättigend und relativ kalorienarm. Wir Franzosen sind wahrscheinlich die größten Suppenesser der Welt. In meiner Kinderzeit gab es Suppe oft zum Abendbrot. Das Mittagessen war die Hauptmahlzeit, und so beschränkte sich das Abendessen auf eine
assiette de soupe
und ein Stück Käse, ein weich gekochtes Ei oder einen kleinen grünen Salat und danach ein Stück Obst. Suppen waren eine ernste Angelegenheit. Sie waren alle hausgemacht, und zwar in
le plus grand pot
, was gut oder schlecht sein konnte, je nachdem, was für eine Suppe es denn war, deren »Düfte« den Tag über das Haus erfüllten.
Mit am liebsten aß ich Hühnersuppe mit Buchstabennudeln.Yvette, unsere
nounou
, fürchtete die Tage, an denen es diese Suppe gab, weil wir mit den kleinen Nudeln auf dem Tellerrand Wörter bildeten und das Essen ewig dauerte.
»Mange ta soupe«
, versuchte sie uns dann zu drängen, und dieser Rat hat bis heute seine Gültigkeit. Die klassische Nudelsuppe war ebenfalls beliebt, genau wie Gemüsesuppe, die natürlich je nach Jahreszeit variierte. Suppe war ein wunderbares Essen, besonders zum Aufwärmen im Winter. Natürlich gab es auch Suppen, die Kinder nicht so gerne mögen, und Yvette musste Wege finden, dass wir sie dennoch aßen. Karottensuppe war eigentlich nicht schlecht, aber mit Linsen, Spinat, Lauch oder Kohl, deren Geruch den ganzen Tag über in der Küche hing (wo wir, bis auf sonntagmittags, alle unsere Mahlzeiten einnahmen), konnte man uns jagen. Abends essen zu müssen, was wir den ganzen Tag schon gerochen hatten, stellte für uns Kinder – im Gegensatz zu den Erwachsenen – eine richtige Zumutung dar. Yvette ließ sich komplizierte Geschichten einfallen, um uns damit abzulenken, und kurz bevor sie zum besten Teil kam, sagte sie:
»Mange ta soupe«
, um uns noch ein paar weitere Löffel abzuringen; dann erst erzählte sie weiter. Im schlechtesten Fall – eindeutig lag hier die Kohlsuppe vorn, die wir
soupe des paysans
, Bauernsuppe, nannten – war das Versprechen einer besonderen Leckerei hinterher der einzige Erfolg versprechende Weg, damit wir unsere Teller leer aßen. Es war nicht einfach mit uns. (Arme Yvette: Ihr Freund wartete nach dem Essen draußen auf sie, aber sie wusste nie, wann sie das Haus verlassen konnte.) Als Teenager waren wir dann zu richtigen Franzosen geworden und aßen sämtliche Suppen, auch die stärker riechenden, mit Genuss.
Als Kind lernt man am leichtesten, der Suppe einen regelmäßigen Platz auf dem Speisezettel einzuräumen.
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