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Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition)

Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition)

Titel: Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Druckerman
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mich an!«, schreibt eine Mutter im Chat, und eine andere: »Wenn du nachts durchschlafen willst, solltest du lieber keine Kinder bekommen. Oder einen Dreijährigen adoptieren.«
    Obwohl das Schlaftraining furchtbar klingt, können Simon und ich es rein theoretisch befürworten. Aber wir haben den Eindruck, dass Bean noch zu jung für solchen Drill ist. Wir glauben, dass Bean nur deshalb nachts aufwacht, weil sie Hunger hat oder etwas von uns braucht. So sind Babys nun mal. Sie ist noch so klein, also geben wir ihr, was sie will.
    Ich spreche auch mit Franzosen über das Schlafen. Dabei handelt es sich um Nachbarn, Arbeitskollegen und Freunde von Freunden. Sie behaupten alle, dass ihre Kinder schon viel früher durchgeschlafen haben. Samia sagt, ihre mittlerweile zweijährige Tochter habe mit sechs Wochen »ihre Nächte gemacht«. Sie habe sich sogar das genaue Datum notiert. Stephanie, eine dünne Steuerprüferin mit einer Wohnung zum Innenhof, wirkt beschämt, als ich frage, seit wann ihr Sohn Nino durchgeschlafen habe.
    »Sehr, sehr spät!«, gesteht Stephanie. »Das war im November, er war damals schon vier Monate alt! Für mich war das sehr spät.«
    Einige französische Schlafgeschichten klingen zu schön, um wahr zu sein. Alexandra, die in einer Kinderkrippe arbeitet und in einem Vorort von Paris lebt, sagt, ihre beiden Töchter hätten fast gleich nach der Geburt durchgeschlafen. »Schon auf der Entbindungsstation sind sie erst gegen sechs für ihr erstes Fläschchen aufgewacht.«
    Viele dieser französischen Kinder bekommen die Flasche oder eine Kombination aus Muttermilch und Säuglingsnahrung. Aber das scheint keinen großen Unterschied zu machen. Die gestillten französischen Kinder aus meinem Bekanntenkreis schlafen ebenfalls schon früh durch. Einige französische Mütter erzählen mir, dass sie mit dem Stillen aufgehört haben, als sie wieder anfingen zu arbeiten, also drei Monate nach der Geburt. Aber bis zu diesem Zeitpunkt schliefen ihre Kinder bereits durch.
    Zunächst denke ich, dass ich es einfach mit ein paar vereinzelten Glückspilzen zu tun habe. Aber schon bald wird die Beweislage erdrückend: Ein Kind, das früh durchschläft, scheint in Frankreich die Norm zu sein. Auf einmal kommen mir meine Nachbarn gar nicht mehr so unausstehlich vor. Sie wollten mich nicht ärgern, sie dachten tatsächlich, dass ein zwei Monate altes Kind schon »seine Nächte macht«.
    Französische Eltern erwarten nicht, dass ihre Kinder von Geburt an gut schlafen. Aber sobald die unterbrochenen Nächte unerträglich zu werden scheinen – was in der Regel nach zwei oder drei Monaten der Fall ist –, sind sie bei ihnen auch schon wieder vorbei. Französische Eltern betrachten durchwachte Nächte als ein vorübergehendes Problem, nicht als ein chronisches. Jeder, mit dem ich spreche, findet es selbstverständlich, dass Babys mit einem halben Jahr nachts acht oder neun Stunden am Stück schlafen können und es auch tun. Aber es gibt natürlich Ausnahmen. Deshalb existieren auch in Frankreich Ratgeber zu diesem Thema, ja Kinderärzte, die sich auf Schlafprobleme spezialisiert haben. Manche Babys, die schon mit zwei Monaten durchschlafen, beginnen Monate später erneut aufzuwachen. Ich höre von französischen Kindern, die ein Jahr brauchen, bis sie durchschlafen. Aber ehrlich gesagt, bin ich in all den Jahren, die ich in Frankreich lebe, keinem davon begegnet. Marion, die Mutter eines kleinen Mädchens, das Beans engste Freundin werden wird, sagt, ihr Sohn habe erst mit sechs Monaten durchgeschlafen. Das ist der späteste Zeitpunkt, den ich von meinen Pariser Freunden und Bekannten zu hören bekomme. Die meisten sagen dasselbe wie Paul, ein befreundeter Architekt, der erzählt, sein dreieinhalb Monate alter Sohn schlafe zwölf Stunden am Stück, von acht Uhr abends bis acht Uhr morgens.
    Was mich ganz wahnsinnig macht, ist, dass französische Eltern einem zwar ganz genau sagen können, wann ihr Kind anfing durchzuschlafen, aber nicht, wie es dazu kam. Sie erwähnen keinerlei Schlaftraining. Und sie behaupten auch, ihre Kinder nie länger schreien zu lassen. Ja sie reagieren sogar reichlich empfindlich, wenn ich sie auf diese Technik anspreche.
    Spricht man mit älteren Eltern, ist das auch keine große Hilfe. Eine französische Publizistin um die fünfzig – die in Bleistiftrock und Stilettos zur Arbeit geht – ist schockiert zu hören, dass meine Tochter Schlafprobleme hat. »Kannst du ihr nichts geben, damit sie

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