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Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition)

Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition)

Titel: Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Druckerman
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schläft? Irgendeine Medizin oder so was?«, fragt sie. Und ich solle das Kind doch wenigstens mal abgeben und mich ein, zwei Wochen in einem Wellnesshotel erholen.
    Doch niemand aus meinem Bekanntenkreis gibt seinen Kindern Medikamente, um sie zum Schlafen zu bringen, und niemand versteckt sich vor ihnen in der Sauna. Die meisten berichten, dass ihre Babys das Durchschlafen ganz von allein gelernt haben. Stephanie, die Steuerprüferin, sagt auch, sie habe nicht viel dafür getan. »Ich glaube, das Kind beschließt selbst, wann es so weit ist.«
    Dasselbe höre ich von Fanny, 33, Herausgeberin mehrerer Wirtschaftsmagazine. Fanny sagt, ihr Sohn Antoine habe mit etwa drei Monaten abrupt aufgehört, um drei Uhr früh gestillt werden zu wollen, und würde seitdem durchschlafen.
    »Er hat einfach beschlossen zu schlafen«, so Fanny. »Ich habe nichts erzwungen. Man gibt ihm zu essen, wenn er etwas zu essen will. Er hat das selbst reguliert.«
    Fannys Mann Vincent bestätigt, dass Fanny nach drei Monaten wieder arbeiten gegangen ist. Wie viele französische Eltern, mit denen ich spreche, sagt er, dieses Timing sei kein Zufall: Antoine habe verstanden, dass seine Mutter früh aufstehen und ins Büro gehen müsse. Vincent vergleicht Antoines Begriffsvermögen mit der Art, wie Ameisen über chemische Signale miteinander kommunizieren, die sie über ihre Fühler austauschen.
    »Wir glauben stark an die Intuition«, so Vincent. »Wir gehen davon aus, dass Kinder Dinge schon sehr früh verstehen.«
    Französische Eltern haben schon ein paar Schlaftipps für mich. Fast alle sagen, man solle die Kinder in den ersten Monaten tagsüber im Hellen lassen, auch wenn sie ein Nickerchen machen, und sie dann bei Anbruch der Dunkelheit zu Bett bringen. Fast alle erklären außerdem, ihre Kinder von Geburt an genau beobachtet zu haben, um sich dem »Rhythmus« des Kindes anzupassen. Französische Eltern reden so viel von Rhythmus, dass man meinen könnte, sie würden Rockbands gründen und keine Kinder großziehen.
    »Im Alter von null bis sechs Monaten ist es das Beste, ihren Schlafrhythmus zu respektieren«, so Alexandra, die Mutter, deren Kinder praktisch von Geburt an durchgeschlafen haben. Ich beobachte Bean ebenfalls, oft gegen drei Uhr morgens. Warum gibt es in unserem Haus keinen solchen Rhythmus? Wenn andere Kinder »plötzlich einfach durchschlafen«, warum tut es dann unseres nicht?
    Als ich Gabrielle, einer meiner neuen französischen Bekannten, mein Leid klage, empfiehlt sie mir ein Buch namens L’enfant et son sommeil (Das Kind und sein Schlaf). Die Autorin, Hélène De Leersnyder, sei eine bekannte Pariser Kinderärztin, die sich auf das Thema Schlaf spezialisiert habe.
    Das Buch ist erstaunlich. Es beginnt mit einem Zitat von Marcel Proust und singt dann ein Loblied auf den Schlummer. Keine Spur vom typischen Ratgeberton:
    »Schlaf sagt viel über das Kind und seine Familie aus«, so De Leersnyder. »Um zu Bett gehen und einschlafen, sich für einige Stunden von den Eltern trennen zu können, muss das Kind darauf vertrauen, dass sein Körper es am Leben erhält, auch wenn es ihn nicht bewusst kontrolliert. Und es muss gelassen genug sein, die seltsamen pensées de la nuit , die Gedanken, die einem nachts kommen, auszuhalten.«
    In L’enfant et son sommeil steht auch, dass ein Baby nur dann gut schlafen kann, wenn es seine Isolation akzeptiert: »Die Entdeckung langer, ruhiger Nächte, die Akzeptanz der Einsamkeit – ist das etwa kein Anzeichen dafür, dass das Kind seinen inneren Frieden gefunden, sein Leid überwunden hat?«
    Selbst die wissenschaftlichen Passagen dieses Buches klingen existenzialistisch. Was wir » REM -Schlaf« nennen, bezeichnen die Franzosen als sommeil paradoxal , als paradoxen Schlaf, weil der Körper ruhig ist, aber der Geist extrem aktiv. »Schlafen lernen und leben lernen – ist das nicht ein und dasselbe?«, fragt De Leersnyder.
    Ich weiß nicht recht, was ich mit dieser Information anfangen soll. Ich bin ja nicht auf der Suche nach einer Meta-Theorie, die mir erklärt, was ich von Beans Nächten halten soll. Ich will einfach nur, dass sie schläft. Wie kann ich herausfinden, warum französische Babys so gut schlafen, wenn es mir nicht mal deren Eltern erklären können und sich französische Schlafratgeber lesen wie kryptische Poesie? Was muss eine Mutter tun, um mal wieder eine ganze Nacht lang schlafen zu können?
    Seltsamerweise habe ich einen Geistesblitz, was die französischen

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