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Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition)

Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition)

Titel: Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Druckerman
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Eltern finden das normal.
    Meine englischsprachigen Freunde gehen davon aus, dass ihre Kinder ein individuelles Schlafbedürfnis haben, dem man Rechnung tragen muss. Ich laufe mit einer befreundeten Britin durch Paris, als ihr kleiner Sohn auf ihren Schoß klettert, ihr unter der Bluse an die Brust greift und dann einschläft. Meiner Freundin ist sichtlich peinlich, dass ich Zeugin dieses Rituals geworden bin, aber wie sie mir flüsternd gesteht, kann der Kleine nur so sein Nickerchen machen. Sie trägt ihn die nächste Dreiviertelstunde in dieser Haltung mit sich herum.
    Simon und ich hatten natürlich ebenfalls eine Schlafstrategie. Wir gingen davon aus, dass man ein Baby nach dem Stillen wach halten muss. Kaum ist Bean auf der Welt, unternehmen wir große Anstrengungen, um das zu erreichen. Soweit ich das beurteilen kann, bleibt es wirkungslos.
    Schließlich verabschieden wir uns von dieser Theorie und probieren andere aus: Wir setzen Bean tagsüber ausschließlich hellem Tageslicht aus und lassen sie nachts im Dunkeln. Wir baden sie jeden Abend um dieselbe Uhrzeit und versuchen, die Pausen zwischen dem Stillen auszudehnen. Nachdem mir jemand erzählt hat, dass fettreiche Nahrungsmittel die Muttermilch gehaltvoller machen, esse ich tagelang nichts anderes als Cracker und Brie. Ein Bekannter aus New York, der uns besuchen kommt, sagt, wir sollten ein lautes Rauschen produzieren, um die Geräusche im Mutterleib nachzuahmen. Gehorsam lassen wir es stundenlang rauschen.
    Nichts scheint irgendeine Wirkung zu haben. Als Bean drei Monate alt ist, wacht sie nachts immer noch mehrmals auf. In einem langwierigen Ritual wiege ich sie wieder in den Schlaf und halte sie dann noch mal eine Viertelstunde im Arm, damit sie nicht wieder aufwacht, wenn ich sie in ihr Bettchen lege. Simons vorausschauendes Denken wird plötzlich zum Fluch: Er bekommt nachts Depressionen und ist fest davon überzeugt, dass das niemals aufhören wird. Mein kurzfristiges Denken dagegen stellt sich plötzlich als wunderbare Erfindung der Evolution heraus. Ich denke nicht darüber nach, ob das noch ein halbes Jahr so weitergehen wird (ja, das wird es). Ich lebe einfach von Nacht zu Nacht.
    Tröstlich ist auch, dass das zu erwarten war. Eltern von Säuglingen bekommen keinen Schlaf. Fast alle amerikanischen und britischen Eltern aus meinem Bekanntenkreis erzählen, dass ihre Kinder erst mit acht oder neun Monaten angefangen haben durchzuschlafen, wenn nicht sogar noch später. »Das war echt früh«, sagt ein Freund Simons aus Vermont und berät sich mit seiner Frau, wann ihr Sohn aufgehört hat, um drei Uhr morgens aufzuwachen. »Wann war das? Als er ein Jahr alt war?« Kristin, eine britische Anwältin, die in Paris lebt, erzählt mir, dass ihr Kind mit sechzehn Monaten durchgeschlafen habe, um dann hinzuzufügen: »Na ja, mit durchschlafen meine ich, dass sie zwei Mal aufgewacht ist. Aber jedes Mal nur für fünf Minuten.«
    Ich finde es tröstlich zu hören, dass es Eltern gibt, die noch schlimmer dran sind als wir. Sie sind leicht zu finden. Meine Cousine, die mit ihrem zehn Monate alten Kind in einem Bett schläft, ist noch nicht wieder in ihren Beruf als Lehrerin zurückgekehrt, hauptsächlich deshalb, weil sie das Baby fast die ganz Nacht stillt. Ich rufe sie häufig an und frage: »Wie schläft sie denn so?«
    Die schlimmste Geschichte überhaupt stammt von Alison, der Freundin einer Freundin aus Washington, D. C., deren Sohn sieben Monate alt ist. Alison erzählt mir, dass sie in den ersten sechs Lebensmonaten ihres Sohnes rund um die Uhr alle zwei Stunden stillen musste. Als er sieben Monate alt war, begann er vier Stunden am Stück zu schlafen. Alison, Marketingexpertin und Absolventin einer Eliteuniversität, ignoriert ihre Erschöpfung und die Tatsache, dass ihre Karriere leidet. Sie glaubt, keine andere Wahl zu haben, als sich nach dem gnadenlosen, seltsamen Schlafrhythmus ihres Babys zu richten.
    Die Alternative zu den durchwachten Nächten lautet »Schlaftraining«, bei dem die Eltern ihre Kinder schreien lassen. Ich mache mich auch darüber schlau. Es scheint für Kinder infrage zu kommen, die mindestens sechs oder sieben Monate alt sind. Alison erzählt mir, dass sie es einmal versucht, aber gleich wieder aufgegeben hat, weil sie sich so grausam dabei vorkam. Online-Diskussionen über Schlaftraining arten schnell in Krieg aus, bei dem Gegner behaupten, das sei vollkommen egoistisch, ja grenze an Kindesmissbrauch. »Schlaftraining widert

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