Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition)
sind. In dieser Phase gähnt ein schlafendes Baby plötzlich, reckt sich und öffnet und schließt sogar die Augen. »Es wäre ein Fehler, das als Hilferuf zu interpretieren und den Schlafrhythmus des Babys zu stören, indem man es hochnimmt«, so der Artikel.
Die Pause ist nicht das Einzige, worauf französische Eltern zurückgreifen. Aber sie ist ein wesentlicher Bestandteil der Kindererziehung. Als ich Hélène De Leersnyder, die Proust zitierende Schlafmedizinerin treffe, erwähnt sie sofort die Pause, ohne dass ich sie überhaupt darauf ansprechen muss. »Wenn Babys schlafen, bewegen sich manchmal ihre Augen, sie machen Geräusche, lutschen am Daumen, bewegen sich. Aber in Wahrheit schlafen sie. Man muss also nicht ständig zu ihnen eilen und sie beim Schlafen stören. Man muss lernen, wie ein Baby schläft.«
»Was, wenn es aufwacht?«, frage ich.
»Wenn es wirklich aufwacht, nimmt man es natürlich hoch.«
Französische Eltern sehen ihre Aufgabe darin, Babys das Durchschlafen beizubringen, so wie sie ihnen später auch eine gute Körperhygiene, eine ausgewogene Ernährung und das Radfahren beibringen. Sie sehen kein Zeichen elterlichen Engagements darin, die halbe Nacht mit einem acht Monate alten Kind wach zu bleiben. Sie sehen das als Zeichen für Schlafprobleme und für eine gestörte Familie. Erzähle ich Französinnen von Alison, sagen sie: »Das geht ja gar nicht!« – und meinen damit sowohl das Kind als auch die Mutter.
Auch Franzosen finden, dass Kinder etwas Schönes, Besonderes sind. Aber sie begreifen ebenfalls, dass es so etwas wie biologische Gesetze gibt.
Jetzt, wo ich die Offenbarung mit der Pause hatte, beschließe ich, mich etwas in die wissenschaftliche Fachliteratur zu Babys und Schlaf einzulesen. Was ich daraufhin feststelle, schockiert mich: Amerikanische Eltern mögen vielleicht den »Schlafkrieg« ausfechten, nicht aber amerikanische Wissenschaftler. Die Forscher sind sich größtenteils einig in der Frage, wie man Kinder am besten zum Schlafen bringt. Und ihre Empfehlungen klingen auffällig französisch.
Schlafforscher glauben wie französische Eltern, dass man Kindern schon sehr früh das Schlafen beibringen sollte. Ihnen zufolge ist es möglich, ein gesundes Baby bereits im Alter von wenigen Wochen zum Durchschlafen zu bewegen, ohne das Kind tatsächlich »schreien zu lassen«.
Dabei kommt es hauptsächlich auf die »Erziehung« der Eltern an, man gibt ihnen also ein paar grundlegende Schlafregeln an die Hand, die sie von Anfang an befolgen sollten.
Wie lauten diese Regeln? Das zeigt eine Studie, die Schwangere begleitet hat, die vorhatten zu stillen. 8 Forscher gaben einigen Frauen eine zweiseitige Broschüre mit Anweisungen. Eine der Regeln darin lautete, dass die Eltern das Kind nicht auf den Arm nehmen, hin- und herwiegen oder stillen sollen, um es abends zum Einschlafen zu bringen, damit es den Unterschied zwischen Tag und Nacht lernt. Eine weitere Anweisung für wochenalte Babys lautete, dass die Eltern das Kind, wenn es zwischen Mitternacht und fünf Uhr früh schrie, neu wickeln, es tätscheln oder mit ihm herumlaufen sollten. Die Brust sollte die Mutter dem Kind allerdings nur geben, wenn das Kind danach immer noch weinte.
Eine weitere Anweisung war die, dass Mütter von Anfang an lernen sollten zu unterscheiden, wann ihr Kind weint und wann es sich nur in den Schlaf wimmert. Mit anderen Worten: Bevor man ein quengelndes Kind hochnimmt, sollte man eine kurze Pause einlegen, um sicherzustellen, dass das Kind auch wirklich wach ist.
Eine »Kontrollgruppe« stillender Mütter hatte keine Anweisungen erhalten. Die Ergebnisse waren bemerkenswert: Von ihrer Geburt bis zu einem Alter von drei Wochen hatten die Babys aus der Studie und die aus der Kontrollgruppe fast identische Schlafmuster. Aber im Alter von vier Wochen schliefen 38 Prozent der Studien-Babys nachts durch, während das nur 7 Prozent der Babys aus der Kontrollgruppe taten. Im Alter von 8 Wochen schliefen alle Babys aus der Studie durch im Vergleich zu 23 Prozent der Kontrollgruppen-Babys.
Laut der Studie häufen sich die Belege dafür, dass kleine Kinder, die nicht ausreichend schlafen oder einen gestörten Schlaf haben, an Reizbarkeit, Aggressivität, Hyperaktivität und einer schlechten Impulskontrolle leiden oder Lern- und Gedächtnisschwierigkeiten haben können. Sie neigen häufiger zu Unfällen, ihr Stoffwechsel und ihr Immunsystem sind schwächer, und ihre Lebensqualität ist herabgesetzt.
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