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Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition)

Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition)

Titel: Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Druckerman
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sich und muss einschlafen und aufwachen können, ohne sofort unter mütterlicher Beobachtung zu stehen.«
    Einen Teil ihres Buches widmet De Leersnyder sogar den Dingen, die eine Mutter tun sollte, während ihr Kind schläft: »Sie vergisst jetzt mal ihr Kind und denkt an sich selbst. Sie geht unter die Dusche, zieht sich an, schminkt sich, macht sich schön, um sich, ihrem Mann und ihren Freunden zu gefallen. Es wird Abend, und sie macht sich für die Nacht fertig, für die Liebe.«
    Die meisten amerikanischen und deutschen Eltern können sich diese Film-noir-Szene – einschließlich des Vorschlags, Eyeliner aufzutragen und Seidenstrümpfe anzuziehen – nur im Kino vorstellen. Simon und ich haben uns lange darauf eingestellt, unser Leben um Beans Launen herum zu organisieren. Franzosen glauben nicht, dass das irgendjemandem guttut. Für sie bedeutet Schlafenlernen auch zu lernen, Teil einer Familie zu sein und sich an die legitimen Bedürfnisse der anderen Familienmitglieder anzupassen. »Wacht das Kind zehn Mal pro Nacht auf, kann die Mutter am nächsten Tag nicht zur Arbeit gehen«, so De Leersnyder. »Also begreift das Kind, dass es – voilà! – einfach nicht zehn Mal pro Nacht aufwachen kann.«
    »Das Baby versteht das?«, frage ich.
    »Natürlich versteht es das.«
    »Aber wie kann es das verstehen?«
    »Weil Babys alles verstehen.«
    Die Pause funktioniert unter anderem auch deswegen, weil französische Eltern ihre Kinder nicht für hilflose Würstchen halten. Sie sind in der Lage, etwas zu lernen. Und dieser Lernprozess ist, wenn er sanft auf das Baby abgestimmt wird, keineswegs schädlich. Im Gegenteil: Französische Eltern sind der Auffassung, dass er den Kindern Selbstvertrauen und Gelassenheit schenkt und sie empfänglicher für die Bedürfnisse anderer macht. Außerdem sorgt er von Anfang an für eine von Respekt geprägte Beziehung zwischen Eltern und Kind, auf die ich noch zu sprechen kommen werde.
    Hätte ich das alles bloß gewusst, bevor Bean geboren wurde! Wir haben das Zeitfenster eindeutig verpasst, in dem wir ihr das Durchschlafen hätten beibringen können. Mit neun Monaten wacht sie immer noch jede Nacht gegen zwei Uhr morgens auf. Also wappnen wir uns gegen ihr Weinen und lassen sie schreien. In der ersten Nacht schreit sie zwölf Minuten lang. (Ich klammere mich an Simon und weine ebenfalls.) Dann schläft sie wieder ein. In der zweiten Nacht weint sie fünf Minuten lang.
    In der dritten Nacht wachen Simon und ich um zwei Uhr früh auf, weil es so still ist. »Wahrscheinlich ist sie immer nur unseretwegen aufgewacht«, sagt Simon. »Weil sie gedacht hat, dass wir das brauchen.« Dann schlafen wir wieder ein. Seitdem schläft Bean durch.
    8 Teresa Pinella und Leann L. Birch, »Help Me Make It Through the Night: Behavioral Entrainment of Breast-Fed Infants’ Sleep Patterns« in Pediatrics 91, 2 (1993): S. 436–443

Warte!
    Ich gewöhne mich zunehmend an das Leben in Frankreich. Nachdem ich eines Morgens durch den Park unseres Viertels spaziert bin, verkünde ich Simon, dass wir endlich zur globalen Elite gehören.
    »Wir sind global, aber keine Elite«, erwidert er.
    Obwohl ich in Frankreich Fortschritte gemacht habe, vermisse ich meine alte Heimat. Ich vermisse es, in Jogginghosen einkaufen gehen, Fremde anlächeln und mit ihnen scherzen zu können. Aber am allermeisten vermisse ich meine Eltern. Unvorstellbar, dass ich ein Kind großziehe, während sie siebentausendzweihundert Kilometer weit weg wohnen!
    Meiner Mutter geht es genauso. Dass ich einen gut aussehenden Ausländer kennen lerne und heirate, war schon immer ihre größte Sorge. Sie hat so oft mit mir darüber geredet, dass sie mir den Floh wahrscheinlich erst ins Ohr gesetzt hat. Bei einem ihrer Parisbesuche lädt sie Simon und mich zum Essen ein und bricht bei Tisch in Tränen aus. »Was gibt es hier, was es bei uns nicht auch gibt?«, will sie wissen. (Hätte sie escargots gegessen, hätte ich auf ihren Teller zeigen können. Leider hatte sie Hühnchen bestellt.)
    Obwohl es mir schon leichter fällt, in Frankreich zu wohnen, habe ich mich nicht wirklich eingelebt. Im Gegenteil: Jetzt, wo ich ein Kind habe – und besser Französisch spreche –, merke ich erst so richtig, wie fremd ich hier bin. Kurz nachdem Bean angefangen hat durchzuschlafen, besuchen wir mit ihr erstmals die staatliche Kinderkrippe, die sogenannte crèche . Während des Vorstellungsgesprächs beantworten wir Fragen zu ihren Schnullergewohnheiten und

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