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Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition)

Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition)

Titel: Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Druckerman
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amerikanischen Kinder gingen einfach zum Kühlschrank und bedienten sich, sobald sie Appetit hatten.
    Dem französischen Paar kam es so vor, als würden die amerikanischen Kinder alles bestimmen. »Was uns so bestürzt und beschäftigt hat, war, dass die Eltern nie Nein gesagt haben«, meint der Journalist. »Sie verhielten sich so, als wäre ihnen das alles egal«, fügt seine Frau hinzu. Und das schien leider ansteckend gewesen zu sein: »Das Schlimmste daran war, dass unseren Kindern auf einmal auch alles egal war.«
    Nach einer Weile wird mir klar, dass in den meisten französischen Beschreibungen von amerikanischen Kindern die Worte » n’importe quoi «, sprich »mir doch egal« vorkommen. Das legt nahe, dass amerikanische Kinder keine festen Grenzen kennen, dass ihre Eltern keine Autorität besitzen, ja, dass alles erlaubt ist. Und das ist das genaue Gegenteil des französischen cadre -Ideals. Cadre bedeutet, dass Kinder sehr strenge Grenzen respektieren müssen – sie bilden den sogenannten »Rahmen« –, und dass die Eltern strikt auf deren Einhaltung pochen. Innerhalb dieser Grenzen jedoch genießen die Kinder viele Freiheiten.
    Amerikanische Eltern setzen natürlich auch Grenzen. Aber das sind meist andere als die der französischen Familien. Franzosen finden die amerikanischen Grenzen sogar häufig schockierend. Laurence, das Kindermädchen aus der Normandie, erzählt mir, dass sie nicht mehr für amerikanische Familien arbeitet, und viele ihrer Kolleginnen auch nicht. Sie habe ihren letzten Job bei Amerikanern nach nur wenigen Monaten gekündigt, der Grund war – wie fast immer – die Frage der Grenzen.
    »Es war schwierig, denn es war n’importe quoi : Das Kind tut, was es will und wann es das will«, erzählt Laurence.
    Laurence ist groß, hat kurze Haare und ist ein eher handfester Typ. Sie möchte mich nicht beleidigen, sagt aber, dass in amerikanischen Haushalten im Gegensatz zu französischen deutlich mehr geweint und gequengelt wird. (Zum ersten Mal höre ich das lautmalerische französische Wort chouiner – quengeln.)
    Die letzte amerikanische Familie, für die sie gearbeitet hat, hatte drei Kinder im Alter von acht, fünf und anderthalb Jahren. Die Lieblingsbeschäftigung des fünfjährigen Mädchens war Quengeln. »Sie quengelte ununterbrochen und konnte auf Kommando in Tränen ausbrechen.« Laurence fand, man müsse das Mädchen ignorieren, um das Quengeln nicht noch zu fördern. Aber die Mutter des Mädchens, die oft zu Hause war, kam immer sofort hereingestürzt und gab dem Mädchen alles, was es wollte.
    Laut Laurence war der Achtjährige noch schlimmer. »Er wollte immer mehr.« Ging man nicht auf seine wachsenden Forderungen ein, bekam er einen hysterischen Anfall.
    Laurence schließt daraus, dass ein Kind in dieser Situation »nicht sehr glücklich ist. Es fühlt sich verloren … In Familien, die mehr Struktur bieten, und damit meine ich keine strenge Familie, sondern eine mit etwas mehr cadre , läuft alles viel reibungsloser.«
    Laurence warf das Handtuch, als die Mutter der amerikanischen Familie darauf bestand, dass Laurence die beiden älteren Kinder auf Diät setzt. Laurence weigerte sich und sagte, sie würde ihnen einfach regelmäßige und ausgewogene Mahlzeiten vorsetzen. Dann stellte Laurence fest, dass die Mutter den Kindern Kekse und Kuchen gab, nachdem sie sie zu Bett gebracht hatte und nach Hause gegangen war.
    »Sie waren ganz schön stämmig«, sagt Laurence über die drei Kinder.
    »Stämmig?«, hake ich nach.
    »Ich sage stämmig, um nicht fett sagen zu müssen«, erwidert sie.
    Gern würde ich diese Geschichte als bloßes Klischee abtun. Natürlich verhalten sich nicht alle amerikanischen Kinder so. Und auch französische Kinder können n’importe quoi . (Bean wird später vor ihrem acht Monate alten Bruder ihre Erzieher nachahmen: » Tu ne peux pas faire n’importe quoi « – »Du kannst nicht einfach tun, was du willst.«)
    Aber die Wahrheit ist, dass ich bei mir zu Hause oft erlebt habe, wie amerikanische Kinder n’importe quoi veranstalten. 14 Kommen amerikanische Familien zu Besuch, verbringen sie den Großteil der Zeit damit, hinter ihren Kindern herzurennen. »Vielleicht können wir uns in fünf Jahren wieder richtig unterhalten«, witzelt eine Freundin aus Kalifornien, die mit ihrem Mann und den zwei Töchtern im Alter von sieben und vier nach Paris kommt. Seit einer Stunde versuchen wir, unsere Tasse Tee auszutrinken.
    Sie und ihre Familie kommen

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