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Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition)

Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition)

Titel: Warum französische Kinder keine Nervensägen sind: Erziehungsgeheimnisse aus Paris (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pamela Druckerman
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Frustration«, so Caroline Thompson, eine Familienpsychologin mit einer zweisprachigen Praxis in Paris.
    Thompson, die eine französische Mutter und einen englischen Vater hat, verschweigt nicht, dass Kinder oft sehr wütend auf ihre Eltern werden, wenn diese sich ihnen in den Weg stellen. Englischsprachige Eltern würden diese Wut häufig dahingehend interpretieren, dass sie etwas falsch machen. Thompson warnt jedoch davor, ein wütendes Kind als Beleg dafür zu nehmen, dass man als Eltern versagt hat.
    Im Gegenteil: »Erträgt es ein Elternteil nicht, von seinem Kind auch mal gehasst zu werden, wird er das Kind nicht frustrieren, woraufhin das Kind in eine Situation gerät, in der es sich selbst tyrannisiert und ganz allein mit seiner Gier und seinen Bedürfnissen zurechtkommen muss. Sind keine Eltern da, die es stoppen, muss es das selbst tun – oder auch nicht, was noch viel angsteinflößender ist.«
    Thompsons Haltung spiegelt etwas wider, das in Frankreich Konsens zu sein scheint: Setzt man Kindern Grenzen und stellt sich ihrer Frustration, macht sie das zu glücklicheren, belastbareren Menschen. Und eine wichtige Methode, die Kinder Tag für Tag leicht zu frustrieren, besteht darin, sie kurz warten zu lassen.
    Ich staune immer noch über den landesweiten französischen Fütterungszeitplan. Wie können französische Babys alle zur selben Zeit essen, wenn sie nicht von ihren Müttern dazu gebracht werden? Spreche ich das an, erzählen mir die Mütter nach wie vor etwas von Rhythmen und Flexibilität und davon, dass jedes Kind anders ist.
    Aber nach einer Weile stelle ich fest, dass die französischen Mütter ein paar Prinzipien für selbstverständlich halten. Das erste Prinzip ist, dass ein Baby nach ein paar Monaten immer ungefähr zu denselben Uhrzeiten gefüttert werden sollte. Das zweite Prinzip besagt, dass ein Baby lieber wenige Male ausführlich statt häufig und in geringen Mengen gefüttert werden sollte. Und das dritte Prinzip ist, dass sich das Baby dem Essrhythmus der Familie anzupassen hat.
    Es ist zwar nicht so, dass Mütter ihren Babys diesen Zeitplan aufzwingen, aber sie bringen sie sanft dazu, indem sie diese drei Prinzipien konsequent anwenden. Der Erziehungsratgeber Votre enfant schreibt, im Idealfall solle ein Kind in den ersten Monaten nach Bedarf gestillt werden. Anschließend solle man das Baby »nach und nach an regelmäßige Fütterungszeiten gewöhnen, die sich mit dem Familienalltag vereinbaren lassen.«
    Wenn sich die Eltern an diese Prinzipien halten, wird das Baby sich automatisch auf den landesweiten Mahlzeitenplan einstellen. Es wird morgens um acht Uhr essen. Dann gegen Mittag und nachmittags um vier. Und schließlich gegen acht Uhr abends noch einmal, bevor es ins Bett geht. Schreit das Baby um halb elf Uhr vormittags, gehen die Eltern davon aus, dass es ihm guttut, bis mittags zu warten. Dafür wird es dann wirklich ausgiebig gefüttert. Es kann eine Weile dauern, bis das Baby sich an diesen Rhythmus angepasst hat. Eltern gewöhnen ihre Kinder deshalb stufenweise an diesen Zeitplan, nicht abrupt. Aber irgendwann gewöhnt sich das Baby daran, genauso wie die Erwachsenen. Außerdem erlaubt dieser Zeitplan, dass die ganze Familie gemeinsam essen kann.
    Martine erzählt, sie habe Paulette in den ersten Monaten nach Bedarf gestillt. Ab dem dritten Monat habe sie sie ins Tragetuch gesetzt und auf Spaziergänge und zu Besorgungen mitgenommen, um sie dazu zu bringen, drei Stunden zwischen den Mahlzeiten zu warten. Durch das Herumtragen habe sie sich schnell wieder beruhigt und war vom Hunger abgelenkt. Dasselbe tat Martine, als sie die Wartezeit auf vier Stunden steigern wollte. Ihrer Aussage nach ließ sie keines der Kinder lange weinen. Nach und nach stellten sie sich auf den Rhythmus von vier Mahlzeiten täglich ein. Bei diesem Ansatz geht man davon aus, dass das Baby zwar seinen eigenen Rhythmus hat, die anderen Familienmitglieder allerdings auch. Idealerweise geht man in Frankreich eine Art Mittelweg. In Votre enfant steht: »Sie und Ihr Kind haben jeweils eigene Rechte, und jede Entscheidung ist ein Kompromiss.«
    Beans Kinderarzt hat diesen aus vier Mahlzeiten am Tag bestehenden Fütterungsplan nie erwähnt. Aber bei unserem nächsten Termin ist er nicht da und wird von einer jungen Französin mit einer Tochter in Beans Alter vertreten. Als ich sie nach dem Zeitplan frage, sagt sie, bien sûr solle Bean nur viermal am Tag essen. Dann greift sie zu einem Notizzettel und

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