Warum gibt es alles und nicht nichts? - Precht, R: Warum gibt es alles und nicht nichts?
anderen. Wenn es keine anderen gäbe, dann wüssten wir auch nicht, dass wir ganz besonders sind. Denn unser » Ich« entsteht durch Vergleichen.
Nun wird es aber Zeit, dass wir nach Hause kommen und dass zwei vom Aussterben bedrohte Arten etwas zu essen kriegen. Morgen haben wir einen größeren Ausflug vor uns. Und außerdem schlagen wir ein ganz neues großes Kapitel aus dem Buch der Philosophie auf. Wir werden einmal gründlich darüber nachdenken, was Gut und was Böse ist. Und warum wir uns manchmal freundlich und nett gegenüber anderen verhalten und manchmal auch nicht …
Das Gute & Ich
Auf der Freundschaftsinsel
Gibt es Moral im Gehirn?
Ein wunderschönes Erlebnis in der Umgebung von Berlin ist die Fahrt mit dem Boot durch den Templiner See. Wildbewachsene Ufer mischen sich mit alten Gebäuden aus der Zeit der preußischen Könige. Wenn man sich ein Kanu oder Kajak mieten will, beginnt man zumeist auf der Freundschaftsinsel mitten in Potsdam. Die Insel hat eine bewegte Geschichte. Zur Zeit des Königs Friedrich Wilhelm I. wurde sie durch einen hohen Palisadenzaun geteilt. Der preußische Herrscher, berühmt als » Soldatenkönig«, wollte damit verhindern, dass seine Soldaten flüchteten. Der Drill in der preußischen Armee war berüchtigt, und Soldat zu sein eine fürchterliche Plackerei. Später, als der Zaun weg war, eröffnete hier ein Ausflugsrestaurant mit dem schönen Namen » Insel der Freundschaft«. Der berühmte Staudenzüchter Karl Förster legte später einen Garten dazu an, in dem zu jeder Jahreszeit etwas blüht.
Heute kommen viele Besucher auf die Freundschaftsinsel, wo es auch einen der besten Spielplätze von Potsdam gibt. Wenn Oskar und ich einen Ausflug hierher machen, kann man sich kaum noch vorstellen, dass die ganze Insel mitsamt ihrer Umgebung einmal völlig zerstört war. Ende des Zweiten Weltkrieges war hier alles umgegraben worden und mit Schützengräben durchzogen. Aus der Freundschaftsinsel war wieder eine Soldateninsel geworden.
Im Oktober 2010 wurden die Bewohner an der nahen Babelsberger Straße wieder einmal an den Krieg erinnert. 7000 Menschen mussten ihre Häuser verlassen. Kindergärten wurden geschlossen, und auch die Bewohner des Altersheims sollten kurzfristig ihr Zuhause wechseln. Kein Zug fuhr mehr in den nahe gelegenen Potsdamer Bahnhof, und kein Auto war mehr auf der Straße zu sehen.
Der Grund: Im nahe gelegenen Fluss, in der Nuthe, war eine 25 0 Kilogramm schwere Bombe gefunden worden. Die Bombe war im Zweiten Weltkrieg in den Fluss gefallen und nicht explodiert. Nun schlug die Stunde der Spezialisten des Brandenburger Munitionsbergungsdienstes. Normalerweise werden Bomben, die aus dem Krieg übrig geblieben sind, entschärft. Aber das war dieses Mal nicht möglich. Das gefährliche Ungetüm lag 1 , 30 Meter tief im Wasser.
Was tun? Wenn eine so große Bombe an Land explodiert, bildet sich ein riesiger Krater, etwa zehn Meter tief und fünfzehn Meter breit. Ein Loch, größer als bei der Baustelle für ein Wohnhaus. Vorsichtig schnallten die Spezialisten einen Sprengkörper an die Bombe. Dann holten sie vierzig Strohballen und brachten sie mit einem Floß über die Nuthe bis zur gefährlichen Stelle. Insgesamt 9000 Kilogramm Stroh lagen nun über der Bombe. Wenn sie explodierte, sollten die Splitter unter Wasser bleiben und nicht turmhoch durch die Luft fliegen. Ganz vorsichtig lösten die Männer die Sprengung aus …
Ein gewaltiges Donnern ließ die Luft erzittern, begleitet von einer riesigen dunklen Wasserfontäne. Die Wände der Häuser in Potsdam und Babelsberg wackelten. Dann war alles vorbei. Die Spezialisten hatten gute Arbeit geleistet.
Als ich Oskar davon erzähle, ist er ganz neugierig. Er will alles darüber wissen, wie man Bomben entschärft und was Explosionen alles anrichten können. Während ich erkläre, blicke ich über den Garten auf der Freundschaftsinsel hinweg auf die Nikolaikirche. Aus der Ferne erinnert sie mit ihrer Kuppel stark an das berühmte Kapitol in Washington, in dem der Bundestag der USA , der » Kongress«, seinen Sitz hat. Man könnte also fast meinen, man wäre hier in Amerika. Und plötzlich vermischt sich ganz vieles in meinem Kopf. Amerika, das Thema » Sprengungen«, der Gedanke, dass wir auf der » Freundschaftsinsel« sitzen. Da fällt mir eine Geschichte ein, die mit alldem zu tun hat. Eine Geschichte, die auch für Philosophen ganz besonders interessant ist …
Der 13 . September 1848 ist ein schöner
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