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Warum gibt es alles und nicht nichts? - Precht, R: Warum gibt es alles und nicht nichts?

Warum gibt es alles und nicht nichts? - Precht, R: Warum gibt es alles und nicht nichts?

Titel: Warum gibt es alles und nicht nichts? - Precht, R: Warum gibt es alles und nicht nichts? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard David Precht
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als ich dir vom Zweiten Weltkrieg erzählt habe, da habe ich dir auch von Hitler erzählt. Und davon, wie die Juden verfolgt und ermordet wurden.
Ah ja, dass niemand aufgrund seiner Hautfarbe oder Religion gejagt werden darf.
Was gehört noch zum guten Leben? Vielleicht auch, dass es nicht langweilig ist?
Ja, Spaß haben.
    Es ist Abend geworden. Wir werfen noch einen letzten Blick auf Häuser, Straßen, Autos und winzige Menschen. Dann verlassen wir das Aussichtsrestaurant in der Kugel und sausen mit dem Fahrstuhl im Riesentempo wieder hinunter auf die Erde. Unsere letzte philosophische Einsicht lautet:
    Es gibt also viele wichtige Dinge im Leben, auf die es ankommt, wenn man glücklich sein will. Bei manchen ist es wichtig, dass sie passieren, wie zum Beispiel Spaß und Freunde haben. Und bei anderen ist es wichtig, dass sie nicht passieren, wie zum Beispiel Krankheit, Kriege oder Verfolgung.
    Eigentlich haben wir damit schon viel Wichtiges gesagt. Aber eines fehlt noch. Am Anfang des Buches hatte ich nämlich noch eine Antwort auf die Frage versprochen: » Warum gibt es alles und nicht nichts?« Wie du weißt, eine richtige Antwort habe ich darauf natürlich nicht. Aber etwas zum Darübernachdenken.
Oskar, du erinnerst dich doch daran, wie wir im Naturkundemuseum über die Frage nachgedacht haben, warum es alles gibt und nicht nichts?
Ja, klar.
Und dass wir über den Urknall geredet haben. Dass da vorher vielleicht so ein Klumpen war …
Ja, aber was war das mit dem Klumpen? Wo kommt der her? Und was war drum herum?
Wie ich dir gesagt habe, weiß das kein Mensch. Aber ich habe noch eine kleine Geschichte für dich. Eine allerletzte Geschichte:
    Ein Mann geht in China durch einen Wald. Plötzlich passiert etwas völlig Unerwartetes. Ein Pfeil trifft ihn und verwundet ihn schwer. Und was besonders schlimm ist – die Spitze des Pfeils ist mit Gift bestrichen worden. Mühsam schleppt er sich zu seinem Haus. Seine Freunde und Verwandten rufen schnell nach einem heilkundigen Arzt. Der Arzt ist auch sofort zur Stelle. Doch bevor er den Pfeil herausziehen kann, sagt der verwundete Mann:
    » Halt, einen Moment! Bevor Sie den Pfeil herausziehen – sagen Sie mir bitte, wer diesen Pfeil auf mich abgeschossen hat. Ich will es wissen. Sofort! War es ein Krieger? War es ein Priester? War es ein Bürger? Oder war es ein Bauer?«
    » Keine Ahnung«, sagt der Arzt und greift nach dem giftigen Pfeil, um ihn aus der Wunde zu ziehen.
    » Halt!«, ruft der Mann. » Ich will es unbedingt erst wissen: Woher kommt der Mann, der mich getroffen hat? War er klein, groß oder mittelgroß?«
    » Woher soll ich das wissen«, sagt der Arzt. » Sie brauchen sofortige Hilfe.«
    » Nein, nein, erst beantworten Sie mir meine Fragen! Welche Hautfarbe hatte der Mann? War er schwarz? Oder braun? Oder gelb? Aus welchem Dorf kommt er? Oder kommt er von einer Burg? Und womit hat er geschossen? Einem kurzen Bogen oder einem langen?«
    » Ich weiß es doch wirklich nicht!«, klagt der Arzt. » Bitte halten Sie still und …«
    » Halt, stopp!«, schreit der Mann. » Sagen Sie es mir sofort. Ich muss es wissen. Es ist das Allerwichtigste für mich: Was für eine Sehne hatte der Bogen? War es eine Saite oder ein Draht? Und die Spitze des Pfeils, ist sie gebogen oder gerade oder …«
    In diesem Moment verließen den Mann die Kräfte. Das Gift hatte seine Wirkung getan, und der Mann starb unter den Händen des Arztes, dem nicht erlaubt worden war, den Pfeil herauszuziehen.
    Wieder auf der Straße, gehen wir über den Alexanderplatz. Es ist dunkel geworden, in den Häusern flammen überall die Lichter auf. Zeit für uns, dass wir nach Hause kommen.
Tja, Oskar, was hat der Mann in der Geschichte wohl falsch gemacht?
Er hätte den Pfeil rausholen lassen müssen, natürlich.
Ja, über seine vielen Fragen hat er das Eigentliche und das Wichtigste vergessen. Was die Geschichte uns sagen will, ist, dass es im Leben vielleicht gar nicht so wichtig ist, wo alles herkommt. Und wer es geschaffen hat. Und dass es gar nicht so wichtig ist zu wissen, warum alles existiert. Das wirklich Wichtige nämlich ist – das Leben selber! Verstehst du das, Oskar?
Na klar.
    Einträchtig trotten wir nebeneinander her. Vater und Sohn, zwei Glückssucher unter Milliarden anderen.
Papa, nur noch eine Frage …
Ja?
Aber Papa, wer hat denn jetzt den Pfeil abgeschossen …?

Literaturhinweise
    Ich & Ich
    Warum gibt es alles und nicht nichts?
    Einen Überblick über die verschiedenen

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