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Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)

Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)

Titel: Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Flasch
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dadurch traten im Bild der Hölle die körperlichen Qualen in den Vordergrund gegenüber dem Verlust der Anschauung Gottes. Die Lehrer des lateinischen Westens schärften ein, es handle sich um materielles, nicht um metaphorisches Feuer. Außerdem begründeten sie theoretisch, warum die ewige Qual in Gottes Absicht liege: Sie plauderten die spezifisch christliche Philosophie der Strafe aus. Ihr Zweck sei nicht die Besserung des Delinquenten, sondern die Leistung von Genugtuung. Ein Theologe wurde noch deutlicher und schrieb: Wer die Strafe nur als Erziehung versteht und nicht als Sühne und Genugtuung, glaubt überhaupt nicht an die Hölle. Er hatte recht.

    Drittens verlegte Gregor der Große den Übergang der Seelen ins Jenseits auf den Zeitpunkt des individuellen Todes. Die Hölle begann jetzt unmittelbar nach dem Tod, nicht erst am fernen Jüngsten Tag. Mit der ‹ewigen Ruhe›, die als Formel in Gebrauch blieb, war es vorbei. Das vermehrte die Schrecken des Höllenfeuers.
    Die Theologen hatten Mühe zu erklären, wieso der Gott der Liebe ewige Höllenqualen eingerichtet hat und auf ewig unterhält. Sie bemühten die unendlich beleidigte göttliche Majestät und hielten daran als einem Geheimnis fest, das um so unbegreiflicher wurde, je weniger Menschen nach Augustins Gnadenlehre dem ewigen Untergang entgingen. Ebenso bestanden sie auf dem materiellen Charakter des Höllenfeuers. Dabei konnten sie nie erklären, wie die reine Geistseele vom materiellen Feuer gequält werden könnte. Sie entwickelten dazu gescheite bis bizarre Theorien.
    Diese Foltertheologie ließ sich nicht halten. Kantianer wandten ein, eine durch Höllenfurcht begründete Moral sei nicht die Stimme der praktischen Vernunft. Schleiermacher gab zu verstehen, Jesus habe die Lehre von der ewigen Höllenstrafe gar nicht vertreten. Eine ständige Revision, auch Verschleierung folgte. Vielleicht befaßt sich ja einmal eine Synode damit: Die Kirchen haben mit Höllenbildern über tausend Jahre lang die Menschen in Angst und Schrecken versetzt, und jetzt beruhigen sie uns, daß die Bibel das nicht verlange. Welche neuen Erkenntnisse über Gottes Absichten gestatten ihnen die Abmilderung? Heute glauben selbst viele Christen, die von ihren verstorbenen Verwandten behaupten, sie seien im Himmel, nicht mehr an die Hölle. Theologen versichern, ihre Reden über die Hölle lieferten keine Informationen über einen jenseitigen Strafort. Sie haben wieder einmal recht.
    Die Höllentheologie endete im gedanklichen Fiasko. Sollen doch die Toten ihre Toten begraben.

Kapitel IX
    Wie es sich anfühlt, kein Christ zu sein
So wird, statt der Freyheit der Kinder Gottes dem Menschen vielmehr das Joch eines Gesetzes (des statutarischen) auferlegt, welches dadurch, daß es als unbedingte Nöthigung etwas zu glauben, was nur historisch erkannt werden und darum nicht für Jedermann überzeugend seyn kann, für einen gewissenhaften Menschen ein weit schwereres Joch ist, als der ganze Kram frommer auferlegter Observanzen immer seyn mag, bei denen es genug ist, daß man sie begeht.
I. Kant, Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft, Königsberg 2 1794, S. 275f.
    1.  Ein persönliches Buch
    Dieses Mal wollte ich ein persönliches Buch schreiben, kein Fach- und Sachbuch für Spezialisten, sondern Bericht und Rechenschaft über meine Erfahrung mit der christlichen Lehre. Ich wollte klar schreiben, eher schroff als kompromißlerisch. Ja, ich bin kein Christ, wenn man unter einem Christen jemanden versteht, der an Gott, an ein Leben nach dem Tod und an die Gottheit Christi glaubt. Bist du also Atheist? Nein. Die Argumente für die Existenz Gottes überzeugen mich zwar nicht, aber auch die Nicht-Existenz Gottes kann ich nicht beweisen. Es ist schwer, die Nicht-Existenz von irgend etwas zu beweisen. Zwar höre ich Theisten jubeln, wenn der Atheismus unbewiesen dasteht, aber dazu haben sie keinen Grund, denn außer ihrer Position bleiben dann unendlich viele andere offen. Sie sind beweispflichtig. Bei einem theoretischen Disput gibt es das Ja und das Nein und drittens die Stimmenthaltung. Ich sage also, alle Argumente, die ich für den christlichen Glauben gehört und geprüft habe, konnten mich nicht überzeugen; sie sind mir unter der Hand zerkrümelt. Mein Glaube verflog sich, nicht durch schlagartige Bekehrung, nicht durch ein Außenereignis, sondern durch jahrzehntelanges Anhören untauglicher Argumente, fauler Ausreden und Vertröstungen. So ist mir Stück

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