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Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)

Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)

Titel: Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Flasch
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hielten ihn für den zurückgekehrten Johannes den Täufer, andere für Elias oder einen anderen der Propheten. Die leibhaftige Rückkehr von Toten war ihnen ein vertrauter Vorgang. Die Apostelgeschichte erzählt, Petrus und Paulus hätten Tote erweckt.    [5]  
    Im Unterschied zu Augustins Evangelienharmonisierung sucht der historisch-kritische Forscher in den Quellen eine vergangene kulturelle Situation; er fragt in unserem Fall weiter, wie griechische und lateinische Texte der Antike das literarische Motiv der Rückkehr von Toten behandeln; er nimmt die Ergebnisse der biblischen Archäologie zu Hilfe.
    Wenn möglich, wird er einen Text zunächst datieren. Augustin ging bei seiner Evangelienbetrachtung davon aus, die im Kanon festgesetzte Reihenfolge – Matthäus, Markus, Lukas und Johannes  –, sei auch die historische. Diese Vermutung hat sich in den Jahrhunderten historisch-kritischer Forschung nur für das Evangelium nach Johannes bestätigt; fast allen Forschern gilt heute das Markusevangelium als das älteste.
    Wer nicht nur die Bibel, sondern auch andere antike Bücher liest, z.B. die antiken Historiker, weiß, daß diese gern die Absicht einer handelnden Person und die Analyse einer Lage in die Form einer großen Rede des Protagonisten kleiden. Sie bieten künstlerische Formung; sie fingieren nicht, sie liefern ein Protokoll. Der berühmteste Fall sind die Reden bei Thukydides. Wer vom griechischen Historiker zurückkehrt zum Neuen Testament, erkennt, daß es die späteren, literarisch-stilisierten Texte des Neuen Testaments sind, welche die großen Reden Jesu und der Apostel bringen, also das Johannesevangelium und die Apostelgeschichte. Die Abschiedsreden Jesu im Johannesevangelium unterscheiden sich in Inhalt und Stil so stark von den Reden Jesu in den drei ersten Evangelien, daß die Vorstellung wörtlicher Wiedergabe ausgeschlossen ist. Ihre Auffassungsweise ist zu verschieden; divergierende Interessen und Konzepte von Autoren und Empfängergruppen bestimmten Auswahl und Akzentsetzung. Stil und Inhalt fallen unterschiedlich aus. Wer sie richtig datieren und in die Geschichte des apostolischen Zeitalters einordnen könnte, gäbe von diesen oft ausgelegten Reden einen neuen Begriff.
    Ich kann hier keine vollständige Analyse der historisch-kritischen Methode geben. Zu ihr gehören weitere Voraussetzungen und wissenschaftliche Techniken, zum Beispiel ermittelt und sichert sie Textbestände; sie bewertet die überlieferten Zeugnisse; sie bleibt empirisch-historisch. Auch beim Lesen religiöser Texte setzt sie voraus, Gott könne nicht Gegenstand historisch-kritischen Wissens werden. Als ‹geschehen› oder ‹Faktum› anerkennt sie nur, was von Zeugnissen bestätigt wird, deren Kreditwürdigkeit sie kritisch untersucht hat. Sie weiß, daß vieles in der Geschichte geschehen ist, von dem sie nichts weiß, weil sie davon keine Zeugnisse hat. Sie versteht daher das Wort ‹historisch› als einen Fachbegriff im Unterschied zu dem Wort ‹geschichtlich›; ‹historisch› ist für sie nur das, was methodisch streng ermittelt ist. Sie beruht nicht auf prinzipiellem Skeptizismus, aber wenn von Menschen erzählt wird, die über 900 Jahre alt wurden, untersucht sie die Erzählungen mit Mißtrauen. Sie stellt in einer Sammlung von Wundererzählungen fest, daß die Wunder immer größer werden, je weiter weg und je länger zurück das Ereignis liegt.
    Auch ein gewisses Konzept von ‹Entwicklung› gehört zu ihr, dessen genaueren Sinn näher zu erörtern hier zu weit führen würde. Als relativ einheitliches Methodenkonzept war sie anfangs umstritten, aber dann trotz eingestandener Unsicherheiten so erfolgreich, daß sich heute mancher historische Dilettant mit ihrem Namen schmückt, ohne sie zu praktizieren. Aber nicht jeder, der ein altes Buch in die Hand nimmt, treibt historische Forschung. Sie muß erlernt und konkret erprobt werden; sie erfordert handwerkliches Training bei Historikern des Altertums und des Mittelalters, bei Gräzisten und Orientalisten.
    Auch die protestantische Orthodoxie hat sie nicht geliebt, aber ihr Hauptfeind war die römische Kurie. Es lohnt sich, einen Blick auf deren Umgang mit Fragen der historisch-kritischen Methode zu werfen. Papst Leo XIII. gründete 1902 eine Kommission zum Schutz der Heiligen Schrift, kurz: die Bibelkommission. Sie hat zwischen 1902 und 1915 eine Reihe von Entscheidungen getroffen gegen die historisch-kritische Bibelauslegung. Diese Entscheidungen

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