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Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)

Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition)

Titel: Warum ich kein Christ bin: Bericht und Argumentation (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kurt Flasch
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der Ewigkeit; für die historisch-kritische Exegese kommen die Texte aus komplexen Konstellationen; sie enthalten Divergierendes und Widersprüchliches; sie sind regional gebundene historische Endprodukte. Die Endredaktoren formulierten für bestimmte geographische und religiöse Gruppierungen ihre eigene ‹Theologie›; sie verfolgten je verschiedene Zwecke.
    Die historisch-kritische Methode redet nicht erbaulich, sondern genau. Für traditionell-kirchliche Zwecke ist sie kaum verwendbar. Die dogmatische Theologie hat immer wieder versucht, sie loszuwerden oder sie zu domestizieren; der historisch bewunderungswürdig gebildete Rudolf Bultmann versuchte, sie für den Kirchengebrauch zu ‹übersetzen›. Großtöner erklären von Zeit zu Zeit, sie sei ‹überwunden› oder, wie sie es gern grob sagen, ‹erledigt›. Viele verwechseln dabei das historisch-kritische Verfahren mit ‹Historismus›, als sei es die überwundene Weltanschauung des 19. Jahrhunderts; in Wirklichkeit ist es eine Methode, die Historiker aller Art heute anwenden.
    Es gibt viele ohnmächtige Versuche, die Kirche und ihre Dokumente aus dem allgemeinen Strom der Geschichte herauszunehmen. Es sind Rückfälle in den Äternismus. Darunter verstehe ich eine geschichtsferne Denkweise, die Zeitliches und Geschichtliches ansieht als wäre es eine zeitenthobene, eine ewige ‹Gestalt›.
    Die historisch-kritische Methode ist die erste grundlegende Operation des geschichtlichen Wissens. Sie ist als Wissenschaft in den Strudel der Vernunftkritik und der Historismusdebatten geraten, schon seit den letzten Jahren des 19. Jahrhunderts. Als Wissenschaft bleibt sie nicht unberührt von Debatten über den Begriff des Wissens und der Wahrheit. Sie weiß, daß sie nicht das Leben ist; sie weiß, daß sie auch Nachteile für das Leben bringt. Sie kennt ihre Grenzen, aber alles Historische liegt innerhalb dieser Grenzen. Daher fallen Judentum, Islam und Christentum in ihr Arbeitsfeld, und neue Betrachtungsweisen – etwa die befreiungstheologische oder die feministische – können sie nicht ablösen. Sie stellen höchstens deren Resultate in ihren neuen Zusammenhang. Wenn z.B. die feministische Interpretation Frauenunterdrückung in paulinischen Texten, besonders im 1. Korintherbrief , Kapitel 11, nachweist, kann sie das nur behaupten, wenn sie die historisch-kritische Betrachtung integriert. Sie muß von ihr lernen, der 1. Korintherbrief habe höhere Authentizität als der Brief an die Epheser, denn sie hat gute Gründe, nur den ersten der beiden Texte für von Paulus verfaßt zu halten. Sie kann bedauernd feststellen, im Laufe des 2. Jahrhunderts seien Briefe mit besonders frauendiskriminierenden Stellen wie 1 Timotheus  2,11 als Paulusbriefe in dessen Briefsammlung aufgenommen worden. Dann nimmt sie ein Ergebnis der historischen Arbeit auf und gibt ihm einen neuen kritischen Akzent; sie ersetzt sie nicht.
    Die historische Methode duldet ihrer Natur nach in Faktenfragen keinen Kompromiß. Sie schließt einige alte Zuordnungen neutestamentlicher Schriften aus, also etwa die Ansicht, der Brief an die Hebräer sei von Paulus verfaßt. Sie hat entweder korrekt erarbeitete Ergebnisse oder sie hat gar keine. Aber sie entscheidet nicht darüber, welchen Gebrauch jemand von dem Resultat macht. Wer ihre Ergebnisse respektiert und frei nutzt, darf sie in neue Zusammenhänge einfügen, so wie ich es in diesem Text tue. Sie sagt schonungslos, was sie herausfindet; sie läßt frei, welcher Gebrauch davon zu machen ist. Sie verargt es keinem kirchlich bediensteten Bibeldeuter, wenn er die Kategorien der antiken Konzilien des 4. und 5. Jahrhunderts an diese Resultate heranträgt, wenn er nur sagt, was er tut. Bringt er aber vor, Wörter hätten oft einen ‹tieferen›, einen ‹allegorischen› Sinn, dann ist das neue Mythenbildung. Argumentiert er, die Bibel sei als ganze das Werk des ewigen Gottes und müsse daher als Ganzes gelesen werden, dann verläßt er das philologisch-genaue Handwerk. In der Tat hat die Kirche im Laufe des 2. und 3. Jahrhunderts entschieden, welche Texte zum ‹Kanon› gehörten. Sie entsprach damit ihrem Bedürfnis zu einem konkreten Zeitpunkt, der nicht heiliger ist als andere. Wer die Kanonbildung als Werk des Heiligen Geistes reklamiert und folgert, jede einzelne Schrift und jede einzelne Aussage sei nach dem Ganzen der Bibel auszulegen, wird die Hebräische Bibel im Licht des Neuen Testaments lesen, sei sie doch das einheitliche

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